Man kann sich den Weg ins Perfekt Futur wie einen cineastischen Zoom vorstellen, der von der Makro- in die Mikroebene führt. Von einem kreativen Ökosystem, dem Alten Schlachthof mit seinen Ateliergebäuden, Musikclubs und Veranstaltungsorten, Gaststätten und Kreativbüros, in eine noch kleinere, sinnstiftende Einheit. Eintritt ins Existenzgründerzentrum: Viele Dutzend ausrangierte Seefrachtcontainer aus dem Rotterdamer Hafen stapeln sich hier unter dem Dach der ehemaligen Schweinemarkthalle auf bis zu drei Etagen übereinander. Dazwischen Treppen, Sessel und Coffeetables, ganze Balkone mit prächtig gedeihenden Grünpflanzen.
Manchmal verrät ein Schild am Containerfenster, an welcher Geschäftsidee hier gerade gearbeitet wird: Ein Start-up beschäftigt sich mit Wasserstofftechnologie, ein anderes entwickelt eine Migräne-App, auch Modedesign-, Zirkus- und Theaterschaffende haben sich eingemietet. In einem roten Hyundai-Container sitzt Colin Morgan am Schreibtisch und bringt einen hübschen Buchstabensalat ins World Wide Web. Rund 15.000 Nutzerinnen und Nutzer machen sich pro Tag im Schnitt daran, die englischsprachigen Worträtsel von Hoyt Games zu lösen.
Morgan hat viele Jahre als Architekt in Chicago gearbeitet und davor irgendwann mal als Webmaster. Als er mit seiner Frau in deren deutsche Heimat zog, hatte ein Freund die Idee zur Gründung: David L. Hoyt ist Wörter-, Puzzle- und Denkspieleerfinder, Colin Morgan bringt die Rätsel in digitale Form, aber auch mal als Brettspiel in den Handel. Er ist gerne im Perfekt Futur: "Wir treffen uns regelmäßig zum Feierabendbier, mit meiner Containernachbarin trinke ich Kaffee, man tauscht sich aus." Trotzdem bleibe genug Ruhe, um die eigenen Aufgaben zu verfolgen.
Im alina café, gleich im Eingangsbereich des Perfekt Futur, wird ofenwarme Pide serviert. Neben Kürbiskuchen, Bananenbrot und Bio-Kaffee aus der Rösterei tostino, die sich ebenfalls auf dem Alten Schlachthof befindet. Der Mittagstisch ist so gut besucht, dass man nur mit Mühe einen Platz findet. Das, was in einer klassischen Firma an der Kaffeetheke stattfinde, der informelle Austausch unter Kolleginnen und Kollegen, sei hier in anderem Setting möglich, erklärt Dirk Metzger.
Er kümmert sich in dem architektonisch preisgekrönten Existenzgründerzentrum um Kreative, Erfinder und Gründungswillige. Nicht nur, aber auch im Bereich Software und Games. Camelstack, der Gaming- und VR-Designer Martin Nerurkar oder der Web- und App-Developer Steffen Reichelt haben hier schon zeitweilig einen Seecontainer gemietet. Ebenso wie das GEElab, ein Thinktank, der die Möglichkeiten des Gamings selbst neu auszuloten versuchte.
Über die kreative Gründergemeinschaft hinaus bleibt das Areal des Alten Schlachthofs wichtig. Auch zwecks Zerstreuung, um bei Punkkonzert, Kinoabend oder einer sehr guten Pizza in der "Fettschmelze" die Gedanken schweifen zu lassen. Die Gamingszene ist ebenso regelmäßig vor Ort, zu Entwicklermeetings oder bei Branchentreffen wie bizplay, OpenStage Games BW oder Gamestates. Orte, um sich ohne Business-Dresscode auszutauschen, muss man auf dem Areal nicht lange suchen.
Alte Hackerei, Tollhaus, Substage: Gegen einen Club mit guter Bar, vielleicht einem Projektor und kleiner Bühne kommt eh kein Seminarraum an. Hier treffen Ideengeber und Entwickler, etablierte Studios und junge Kreative zusammen. "Da gibt es kein Hinterher und kein Vorher", sagt Dirk Metzger. "Da möchte man nicht möglichst schnell wieder ins Hotel, sondern bleibt gerne noch nach dem offiziellen Programm, trinkt ein Bierchen, tauscht sich aus."