Fünf Fragen an Yoko Ono

Frau Ono, was erwartet die Besucher im September in Berlin?
Ich will auf die Gewalt hinweisen, die überall in der Welt passiert. Ich bitte die Menschen, die in die Schau kommen, um ein Zeugnis einer persönlichen Gewalterfahrung: Fotos, Texte, die an der Wand angebracht werden. Im Obergeschoss wird es – als Gegengewicht – einen Raum geben, in dem sie einfach lächeln sollen. Daraus entsteht dann ein Film. Ich hatte mal ein ähnliches Projekt mit einer Website, an die man sein Lächeln schicken konnte. Früher dachte ich: Lächeln, das ist doch albern. Aber einmal habe ich ungefähr 200 Fotos dieser Gesichter gesehen – und fing an zu weinen. Es hat mich berührt, dass die Leute immer noch lächeln, obwohl so viel falsch läuft auf diesem Planeten.

Schon in den frühen 70ern entwickelten Sie Arbeiten, bei denen die Beteiligung des Publikums zentral war, die berühmten „in struction pieces“. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Jeder hat eine kreative Seite, jeder ist ein Künstler. Aber normalerweise sind die Leute zu eingeschüchtert. Ich bringe diese Saite zum Klingen. Es erzeugt einen viel tieferen Eindruck, wenn die Menschen nicht nur das Werk anschauen, sondern sich daran beteiligen. Letztlich ist es für Künstler normal, etwas zu präsentieren, das die Leute bewegen soll – nur bei diesen Arbeiten berührt es sie tiefer. Kunst ist zu elitär geworden. Sie gehört den Leuten. Es gibt keine Grenze zwischen Künstlern und den anderen. Wenn uns etwas berührt, drücken wir alle etwas Künstlerisches aus.

Eine Ihrer beeindruckendsten frühen Performances ist das „Cut Piece“ von 1965: Sie setzten sich auf eine Bühne, gaben dem Publikum Scheren und forderten es auf, Ihre Kleider zu zerschneiden, bis die nackte Haut zum Vorschein kam. Sie haben das Stück 2003 wiederholt – zumindest auf den Videos scheint die Atmosphäre da sehr anders.
Es ging mir bei der ursprünglichen Performance darum, dass die Menschen eine tiefe Erfahrung machen und sich daran erinnern: „Ich war gewalttätig“, oder: „Ich war friedlich.“ Sie hatten die Wahl. Für mich stellte das eine Furcht einfl ößende Situation dar. Auch in Paris hatte ich keinerlei Schutz. Aber ich fand, es war Zeit, den Leuten zu vertrauen. Sie wussten, worum es mir geht. Um den Weltfrieden. 1965 hat man über so etwas noch nicht nachgedacht.

Zurzeit gibt es ja eine große Renaissance der Performance und eine Diskussion darüber, ob und wie man historische Aktionen wiederholen soll.
Ja, ich weiß, dass Performance zurückkommt. Besser gesagt: Sie ist heute größer, als sie je war. Weil sie eine großartige Möglichkeit bedeutet, mit anderen zu kommunizieren. Zu jüngeren solcher Künstler pflege ich aber nicht viel Kontakt. Manchmal bekomme ich E-Mails von Leuten, die mein „Cut Piece“ wiederholen wollen. Ich entmutige sie nicht. Aber das Statement wurde schon gemacht.

Gehört Performance heute ins Museum?
Das Museum bildet einfach einen weiteren Raum für alles. Malerei zum Beispiel muss nicht dorthin, fi ndet jedoch eine geeignete Wand. Genauso verhält es sich mit Performance. Man kann sie in U-Bahn-Stationen aufführen oder in öffentlichen Toiletten – einerlei. Der Mensch ist ein Tier, das performen kann, Performance ist ein Teil von uns. Ich ermutige immer zum Tanz statt zum Marsch. Das ergibt einen besseren Rhythmus fürs Leben.

Haunch of Venison, Berlin, 10. September bis 13. November