Er ist ein Liebling der Modewelt, eine seiner größten Gönnerinnen ist Miuccia Prada. Francesco Vezzoli, der einem linken Milieu entstammt und durch seine Eltern mit der Arte Povera in Berührung kam, hat schon alte Meisterwerke nachgestickt, mit Hollywood-Stars gedreht und die antiken Skulpturen seines "Teatro Romano" bunt angemalt, ohne auf die historische Korrektheit Rücksicht zu nehmen.
Der 52-jährige Italiener pflegt seit Jahrzehnten einen ehrfurchtslosen Dialog mit der Antike, lässt Hoch und Tief aufeinander los und verknüpft diese mitunter tragikomischen Kollisionen immer wieder mit der Geschichte des Kinos, der Bilder und der Macht. Kaum eines seiner Werke kommt ohne Namedropping aus, seine häufig queeren Kulturgrößen erinnern uns an die Vergänglichkeit des Ruhms, alternde Diven an besondere Orte: Wie etwa 2005 in dem Trailer für eine imaginäre Neuversion von Gore Vidals "Caligula", in der Helen Mirren und Courtney Love auftraten und Vezzoli selbst als lasterhafter Kaiser Caligula und zugleich ironischer Kommentator seiner Zunft fungierte.
Sein Hang zum Hedonismus und Glamour passte lange in den sorglosen Zeitgeist. In der krisenerschütterten Gegenwart mit ihrer Flüchtlingsfrage, dem spürbar werdenden Klimawandel und dem Ukraine-Krieg wirkt sein Ansatz aber inzwischen wie ein etwas abgestandener Spuk aus einer fernen Epoche.
Antike Büsten mit Bowie-Blitz
In seiner aktuellen Ausstellung "Vita Dulcis" in Rom findet man alle typischen Ingredienzen. Als Kurator hat Vezzoli bereits vor sechs Jahren im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen die antiken Werke der Sammlung mit seiner neuesten Skulpturenproduktion in eine spielerische Verbindung gebracht. Das tut er jetzt wieder, gemeinsam mit seinem Co-Kurator, dem Archäologen Stéphane Verger, wenn er etwa eine Serie von Antinoos-Köpfen aus Gips mit den roten Blitzen von David Bowie verziert, die für das Cover von "Aladdin Sane" entstanden waren.
Eingestimmt wird man in der Rotunde auf das süße Leben eines kleinen privilegierten Teils der spätrömischen Gesellschaft mit einem Prolog. Die sechs leuchtenden Skulpturen waren ursprünglich 2012 anlässlich des "24H Museum" im Palais d'Iéna in Paris zu sehen, begleitet von einer Party, auf der Kate Moss auflegte – wer sonst!
Die Frauenfiguren wirken wie antike Marmorkörper, tragen aber Gesichter von Filmstars wie Jeanne Moreau, Sharon Stone oder Anita Ekberg. Die sieben angeschlossenen Themenräume in dem opulent klassizistischen Palazzo delle Esposizioni tragen lateinische Titel wie "Para Bellum", "Dux Femina Facti" und "Ubi Potentia Regnat". Sie stehen für Aspekte des römischen Lebens wie Krieg, Machtwahn oder Tod, die als Spiegel für die heutige Zeit dienen sollen.
Kitsch und Camp, Leben und Tod
"Certa Omnibus" etwa durchquert man auf einer Art Via Appia Antica im Miniaturformat. Sie ist übersät mit antiken Grabsteinen, die zu einer riesigen Leinwand führen, auf der Giovanni Pastrones Filmepos "Cabiria" von 1914 zu sehen ist, ein Vorläufer der berühmt-berüchtigten Sandalenfilme.
Als Zugabe bekommt man noch auf ähnlichen Bühnen neben Vezzolis Kurzfilmen Filmschnipsel aus "Spartacus" von Stanley Kubrick, Federico Fellinis "Satyricon" oder Ridley Scotts "Gladiator" geboten - und nicht zu vergessen homoerotische Liebesszenen von sich im Wasser wälzenden Soldaten aus "Sebastiane" von Derek Jarman. Dazwischen gruppieren sich archäologische Stücke aus dem Römischen Nationalmuseum zu theatralischen Installationen aus einem monumentalen Torso von Domitian, jeder Menge Darstellungen von Venus, Medusa und Diana und einem schlafenden Hermaphroditen - flankiert von roten Vorhängen, geometrischen Sockeln und LED-Kreisen.
Die Besucher und Besucherinnen versetzt Vezzoli in die Rolle von Statisten, die durch Pappmaché-Kulissen des alten Rom schreiten und sich darüber wundern, warum der Kopf eines römischen Generals aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. in einem modernen bronzenen Fahrradhelm steckt. Diese subjektiven Bearbeitungen antiker Skulpturen, darunter ein mit Nagellack retuschierter Votivfuß aus Ton, feiern die Mischung aus Kitsch und Camp, Leben und Tod, Marmor und Fleisch, Staub und Glitzer.
Soll das dionysische Spektakel eine Warnung sein?
Über allem schwebt aber der Untergang des Imperiums, womit sich die Frage stellt, ob Vezzoli sein dionysisches Spektakel aus recycelten Fragmenten als Warnung an seine Zeitgenossen verstehen möchte. Er beherrscht seine Bestimmung eines ikonografischen Jongleurs bestens, der die Mythen von heute und gestern zu einem austauschbaren Kontinuum mixt. Als Kassandra einer bedrohlichen Zukunft fehlt ihm aber die Bereitschaft, mit seiner eigenen Handschrift zu brechen und sich auf ein weniger gefälliges Terrain zu wagen.
So erweckt die Schau, zu deren Eröffnung Miuccia Prada, Fiat-Erbin Ginevra Elkann, Schauspielerin Ornella Muti und andere italienische Promis erschienen, am Ende selbst den Eindruck eines archäologischen Fundstücks, eines bestimmten postmodernen Diskurses, der seine politische Botschaft auf eine ästhetische Dekadenz-Collage beschränkt. Nach dem Motto: Keine Schönheit ohne Korruption, keine soziale Kritik ohne morbide Gesellschaftsspiele.