Geplantes Fotoinstitut

Kein Bild für die Zukunft

So sieht die Zukunft der Fotografie nicht aus 
Foto: Pexels / Pixabay

So sieht die Zukunft der Fotografie eher nicht aus 

Zur Zeit wird über die Gründung eines Deutschen Fotoinstituts diskutiert. Auch der Fotograf Andreas Gursky hat sich in die Debatte eingeschaltet. Doch das Konzept des Vereins rund um den Künstler wirkt aus der Zeit gefallen

Verzeihung, es wird kurz unübersichtlich. Es soll also ein Deutsches Fotoinstitut geben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich zu diesen Plänen bereits im vergangenen Sommer geäußert. Sie stellt sich eine Institution vor, "die das künstlerische Erbe herausragender deutscher Fotografinnen und Fotografen aufarbeitet, bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich macht". Der Bundestag hat 41.5 Millionen Euro für das Institut bewilligt. Der Standort soll auch schon feststehen. Düsseldorf soll es werden. Eigentlich eine gute Sache. Bis man ins Detail geht und sich anschaut, was den Beteiligten so vorschwebt. Es gibt übrigens zwei miteinander konkurrierende Konzepte. Grütters, so die "Süddeutsche Zeitung", hatte ein Expertenteam um den Kurator Thomas Weski beauftragt, ein Konzept zu entwickeln.

Aber nicht dieses Konzept wird jetzt in den Medien diskutiert, sondern das von einer Gruppe Fotografen, zu denen Andreas Gursky gehört. Und dieses Konzept steht jetzt in der Kritik. Es ist, nun ja, etwas aus der Zeit gefallen.

"So wird die Fotografie unsterblich", lautet der Titel des großen Interviews mit den Fotografen Andreas Gursky und Moritz Wegwerth im "Spiegel". Gursky, 65, ist einer der bedeutendsten Fotografen der Welt, Wegwerth, Ende 30, ist sein ehemaliger Student und der Vorsitzende des "Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts".

Ein Kompetenzzentrum, das sich vor allem mit technischen Fragen beschäftigt

Die Idee eines Fotografiemuseums hält Gursky nicht für attraktiv, da die Fotografie bereits präsent ist in Museen. Er wünscht sich ein Kompetenzzentrum, das sich vor allem mit technischen Fragen beschäftigt. Wegwerth sagt, es solle um einen "zukunftsträchtigen Umgang mit fotografischer Kunst" gehen. Und dann wird Gursky konkret: Eine Aufgabe solle die Sicherung bestehender Fotografien sein, da Fotografien verbleichen und vergilben können. "Unser Wunsch wäre es, dieses Institut würde verbindliche Standards und ein zertifiziertes Verfahren entwickeln, mit deren Hilfe Abzüge neu erstellt werden können."

Als Beispiel nennt er sein Werk "99 Cent", das im Besitz des Centre Pompidou in Paris ist. Die Fotografie ist verblichen, seit drei Jahren diskutiert er mit dem Museum, wie das Problem gelöst werden könne. Briefe gehen hin und her. "Ich habe gesagt, ich mache euch gern einen neuen Abzug, dann muss aber der alte zerstört werden", erklärt Gursky im Interview. Das lässt sich mit dem französischen Recht nicht vereinbaren. Er soll einen neuen Abzug liefern, das Centre Pompidou wiederum möchte den alten Abzug nicht hergeben. Man wartet leider vergeblich auf den Zwischenruf "OK Boomer!"

Gurksy sieht die Aufgabe eines nationalen Fotoinstituts maßgeblich in der Vermittlung und Beratung. Der "Spiegel" fragt kritisch nach, ob das Zentrum denn hauptsächlich Dienstleistungen erbringen solle. Wegwerth antwortet: "Wir wünschen uns, dass dieses so wichtige Medium auf die Zukunft vorbereitet wird, das ist mehr als eine Dienstleistung für einzelne Fotografen." 

Was mit "zukunftsträchtig" gemeint ist, bleibt unklar

Am Ende kommt das Gespräch zumindest kurz einmal in der Gegenwart an. Der "Spiegel" weist darauf hin, dass "vor allem die Fotoflut im Internet und da vor allem auf Instagram maßgeblich für unsere Zeit" ist. Gursky selbst ist allerdings gar nicht auf Instagram. Er erzählt, dass jemand unter seinem Namen einen Account bespielt hat, dem 37.000 Menschen folgten. "Auch solche Fragen sind wichtig", sagt er. Ja klar, blöd. Aber auch keine große Sache. Da würde eine Mail an das Unternehmen Instagram reichen. Oder noch besser: Wenn Gursky selbst auf Instagram aktiv wäre, wäre klar, wer The Real Gursky ist. Nämlich der mit dem blauen Haken.

Was genau Gursky und Wegwerth unter "zukunftsträchtig" verstehen, wird im Gespräch nicht klar. Es scheint ihnen nur darum zu gehen, dass Abzüge auch in der Zukunft noch gemacht werden können und wie Museen in Zukunft mit diesen Abzügen umzugehen haben. Um die Zukunft des Mediums Fotografie oder um Fotografie im Zeitalter der sozialen Medien geht es nicht.

In der "Süddeutschen Zeitung" hat Jörg Häntzschel die Pläne von Gursky und Wegwerth scharf kritisiert. "Die Verfechter des Düsseldorfer Projekts werben gerne mit den Namen weltberühmter Fotokünstler, die es zu seinen Unterstützern zählt: Darunter sind außer Gurskys Düsseldorfer Kollegen, etwa Thomas Ruff, auch Cindy Sherman, Jeff Wall und Wolfgang Tillmans. Doch das verstärkt eher noch den Eindruck, hier wolle sich eine Gruppe millionenschwerer Weltstars eine öffentliche Institution schaffen, die vor allem ihren eigenen Zwecken dient“, schreibt er. Denn als Hauptaufgabe des Fotoinstituts wird die "Weiterentwicklung von Technologien zum Erhalt von Meisterwerken der Fotokunst" genannt. Häntzschel dazu: "Bei diesen 'Meisterwerken', daran lässt Gursky im Spiegel kaum einen Zweifel, denkt er vor allem an seine eigenen Bilder."  

Wofür soll man ins Museum gehen?

In einem anderen Interview übrigens wurde Wegwerth wieder auf das soziale Fotonetzwerk Instagram angesprochen. Seine Antwort: "Instagram, das sind Firmen. Wir haben gar nicht den Zugriff auf diese Fotos. Diese Fotos sind privat und gehören irgendjemandem (…). Ich habe gar nicht die Möglichkeit, in so einem Institut darauf zuzugreifen. Da gibt es Urheberrechte. Ich wüsste gar nicht wie."

Ja nun, im Fotoinstitut soll ja auch nicht Amateurfotografie archiviert und bewahrt werden. Warum sollte also mit Blick auf Instagram plötzlich die Amateurfotografie in den Fokus rücken? Außerdem gibt es Künstler, beispielsweise Erik Kessels, die die Bilderflut visualisieren ("24 Hrs in Photos", 2011) oder versuchen, bestimmte Themenbereiche zu erschließen. Es ging noch weiter: "Ich bin ein begeisterter Instagram-Nutzer", so Wegwerth, "ich gucke mir das auch gerne an. Es passiert ja ständig und überall. Dafür muss ich aktuell nicht ins Museum gehen, weil ich weiß, es passiert, wenn ich aufstehe, wenn ich nachts draufgucke. Das sind Momente, die sind besonders und einzigartig. Ich weiß nicht, ob man das irgendwie ins Museum transferieren kann oder ob das überhaupt sein muss." 

Warum überhaupt sollte man für Gursky die Couch verlassen oder einen weiteren Weg zurücklegen als in die nächstgelegene Buchhandlung? Und dann bekommt man auch nur das zu sehen, was man schon aus einem seiner Fotobücher oder von der Google-Suche im Internet kennt. Okay, die Fotos im Museum sind größer. Sie verstehen schon, was ich meine.

Das Spezifische der Gegenwart ist "Flüchtigkeit" und "Flüssigkeit"



Und da fragt man sich jetzt, wem Wegwerth eigentlich so auf Instagram folgt und ob er schon einmal etwas von Post-Internet Art oder Social Media Art gehört hat. "Instagram-Künstler", wenn man sie denn so nennen will, drucken nicht einfach Instagram aus. Sie arbeiten in den unterschiedlichsten Medien: Installation (Amalia Ulman, Andy Kassier), Skulptur (Hannah Sophie Dunkelberg, Stine Deja, Filip Custic), Video (Anna Ehrenstein, Arvida Byström) und Fotografie (Thomas Albdorf, Signe Pierce).

Die amerikanische Künstlerin Signe Pierce beispielsweise arbeitet mit dem Medium Fotografie, die Frage nach dem Abzug für die Wand beschäftigt sie allerdings weniger. Das hat einen guten Grund. Der Soziologe Zygmunt Bauman hat als Metaphern für das Spezifische unserer Gegenwart "Flüchtigkeit" und "Flüssigkeit" vorgeschlagen. In seinem Buch "Flüchtige Moderne" schreibt er: "Wir sind die Erben einer individualisierten, privatisierten Version der Moderne. Wir müssen das soziale Gewebe in Heimarbeit und in eigener Verantwortung selbst herstellen, jeder für sich. Ende durch Verflüssigung – dieses Schicksal ergreift jetzt die letzten Muster der Abhängigkeit und die Ordnung der Interaktion. Sie haben einen Grad der Geschmeidigkeit erreicht, sind in einem Ausmaß dehnbar geworden, wie es für frühere Generationen unvorstellbar war. Aber wie es eben so ist mit Flüssigkeiten: Sie werden ihre heutige Form nicht lange behalten." 

Identitäten beispielsweise verflüssigen sich, besonders im Digitalen. Signe Pierce also beamt eine Fotografie von sich in Form eines kurzen Video-Loops auf eine Leinwand, das Ergebnis ist ein verflüssigtes Selbstporträt, das auf der Leinwand in ständiger Bewegung ist. Ihre Serie trägt den Titel "Liquid Paintings".

Warum nicht mit digitaler Kunst befassen?

Bilder sind im digitalen Zeitalter Mittel der Kommunikation. Der Social-Media-Theoretiker Nathan Jurgenson hat in seinem Buch "The Social Photo: On Photography and Social Media" darauf hingewiesen, dass Bilder in den sozialen Medien gar nicht mit dem Medium Fotografie in Konkurrenz treten. Das sei das große Missverständnis. Bei Fotografie geht es darum, ob ein Bild gut ist. Bei Social Photography geht es um das Teilen von Erfahrungen. Bilder sind heute ständig in Bewegung. Sie werden runter- und wieder hochgeladen, geteilt und weitergeleitet, kopiert und eingefügt und und und. Hito Steyerl hat schon im Jahr 2009 über "arme Bilder" gesprochen, weil die Qualität von Bildern immer schlechter wird, wenn sie im Internet in Bewegung sind. "Es ist das Gespenst eines Bildes, eine Vorschau, eine Miniatur, eine umherschweifende Idee, ein umsonst verbreitetes Wanderbild (…)", schreibt sie in ihrem Text "In Verteidigung des armen Bildes".

Das Konzept der Gruppe von Fotografen um Gursky will von all diesen Entwicklungen und Debatten offenbar nichts wissen. "Zukunftsträchtig" bedeutet also hier: Relevant ist, was die Generation von Fotografen aus dem vergangenen Jahrhundert für relevant hält. Und das sind Abzüge, Abzüge und Abzüge, die bitte auch in Zukunft wieder erstellt werden können sollen, wenn ein Abzug verblichen ist. "Zukunftsträchtig" sollte bedeuten, dass sich nicht nur aus der Vergangenheit, sondern auch aus der Gegenwart auf die Zukunft vorbereitet wird. Warum also nicht hinüber nach Amerika schauen und sich mit Rhizome eine Institution zum Vorbild nehmen, die sich intensiv mit digitaler Kunst befasst? Damit wäre auch der jungen Generation Fotografen und Künstler geholfen.