Alec Soth in Hannover

Fotografie ist Einsamkeit – Ping Pong ist Glück

Schon als Kind habe er gewusst, dass "Glück" nicht das Ziel seines Lebens ist. "Ich wollte immer vor allem etwas Erschaffen – etwas, das größer ist als Glück vielleicht", sagt Soth, und es klingt, als sei er selbst ein wenig traurig über die Einsicht. "Der fotografische Blick ist der eines alleinstehenden Voyeurs. Meine Fotografien haben aber auch inhaltlich etwas Schweres. Sie sind gewichtig – und sie sind traurig, einsam."

Diese Einsamkeit in der Fotografie von Alec Soth, 1969 in Minnesota geboren, zeigt sich besonders in der Bildserie "Broken Manual" (2006-2010). Vier Jahre lang hat er dafür Menschen fotografierte, die sich, aus welchen Gründen auch immer, für ein Emeriten-Dasein fernab der Zivilisation entschieden. "Die amerikanische Gebrauchsanweisung für ein erfolgreiches Leben ist defekt", sagt Soth. Freiwillig oder nicht - die abgebildeten Individuen haben das soziale Netz verlassen.

"Ich kann aber auch leichte, unbeschwerte Dinge machen", schiebt Soth dann nach. "Ich bin auch glücklich!" Die Sätze changieren zwischen Ausruf und Einforderung – Soth lacht herzlich, sich dessen offenbar bewusst. Wenn er Ping Pong spiele zum Beispiel, sei er glücklich. Oder wenn er an seinem Projekt "The Little Brown Mushroom" arbeitet. Beides ist Teil der Ausstellung "Alec Soth & Friends. The Little Brown Mushroom Ping Pong Reading Room", die Soth zusammen mit der Kuratorin Inka Schube für das Sprenger Museum in Hannover kuratiert hat.

Dafür hat Soth seine Künstlerfreunde Jason Polan, Anouk Kruithof und David Goldes mit eigenen Werken nach Hannover eingeladen und selbst eine neue Arbeit produziert. Auch Soths "Broken Manual" wird in der Ausstellung gezeigt – nicht in Form der Fotografien selbst, sondern durch den Dokumentarfilm "Somewhere to disappear" (2010) von Laure Flammarion und Arnaud Uyttenhoven. Vor allem geht es aber um Soths Blog und Verlagsplattform "Little Brown Mushroom" (LBM). Mit "LBM" – benannt nach kleinen Waldpilzen, die überall sprießen, die aber kein Mensch jemals alle identifizieren kann – widmet sich Soth Dingen und Menschen, die ihn glücklich machen. Für das Buch "Iris Garden" (2013) zum Beispiel hat er Kurzgeschichten von John Cage mit Photographien von William Gadney zusammengebracht. Entstanden ist ein leinenumschlagener Bildband im Schuber, bei dem Inhalt und Form so vollendet sind, dass man ihn nicht mehr aus den Händen legen möchte. Im Museum wird es einen "Reading Room" geben, in dem Publikationen des LBM-Verlages ausliegen.

Und auch Ping Pong ist wesentlicher Bestandteil des Konzeptes: Neben antiken Ping-Pong-Aufnahmen, die Soth zusammenstellte, steht eine Tischtennisplatte, auf der Besucher während der Ausstellung spielen können. Und: Soth selbst wird am Samstag bei einem offenen Turnier mitspielen. Wer Alec Soth einmal "unbeschwert und glücklich" erleben möchte, sollte morgen früh den Wecker stellen und um halb elf im Sprengel Museum in Hannover zum Turnier gegen den Künstler antreten.

Soth selbst erklärte den Unterschied zwischen "Ping Pong" und "Tischtennis" übrigens so: "Tabletennis is for professionals, Ping Pong is for amateurs. I’m an amateur. I play Ping Pong". Also alles gut.

"Alec Soth & Friends. The Little Brown Mushroom Ping Pong Reading Room", Sprengel Museum Hannover, 21. Juni bis 26. Oktober, Eröffnung: 20. Juni um 16 Uhr, Vortrag von Alec Soth um 17 Uhr. Am 21. Juni ab 10.30 Uhr beginnt das Tischtennisturnier mit Alec Soth