Herr Corbijn, der Titel Ihrer Hamburger Ausstellung lautet "The Living and the Dead". Welche Assoziationen löst dieses Motto bei Ihnen aus?
Das Thema Sterblichkeit interessiert mich sehr. Meine Mutter und mein Vater sprachen ständig über Menschen, die krank waren, wenn wir zu Abend gegessen haben. Denn mein Vater war der Pastor in unserem Dorf. Er musste die Kranken besuchen. Und von unserem Haus sahen wir auf den Friedhof.
Wie hat diese Kindheit Ihre Persönlichkeit und Ihre Arbeit als Fotograf geprägt?
Es fiel mir immer schwer, eine gewisse Leichtigkeit in meine Arbeit zu bringen. Und in den 90er-Jahren war ich dann so genervt von dieser Ernsthaftigkeit in meinen Bildern, dass ich mir das Projekt "A. Somebody" ausgedacht habe. Es waren Selbstporträts, die ich in meinem Heimatdorf aufgenommen und auf denen ich mich als inzwischen verstorbene Idole meiner Jugend verkleidet hatte. Sie sollten wie Paparazzi-Bilder wirken. Aber leider hat es nicht funktioniert. Denn am Ende waren sie doch wieder voll von Bedeutung und Tod.
Sie werden im Rahmen der Ausstellung auch 20 unveröffentlichte Arbeiten zeigen, die Sie 1982/83 auf Friedhöfen aufgenommen haben. Warum haben Sie diese Bilder damals gemacht?
Als jüngerer Mann hatte ich eine Art melancholisches Interesse an Friedhöfen. Aber natürlich mochte ich die katholischen Friedhöfe viel lieber als die protestantischen, mit denen ich aufgewachsen bin. Die Katholiken feiern auf ihren Friedhöfen gewissermaßen das Leben nach dem Tod. Und oft ging es darum, eine Statue auf dein Grab zu setzen, die größer war als die auf den Nachbargräbern. Außerdem ließen meine Frau und ich uns damals gerade scheiden. Es war eine düstere Phase in meinem Leben.
Was empfinden Sie heute bei diesen Friedhofsaufnahmen?
Ich finde sie sehr schön und kein bisschen makaber oder düster. Einige dieser Aufnahmen habe ich damals für das Artwork der britischen Band The Art of Noise verwendet. Daraus ist eine gute Freundschaft geworden. Und auch diese Zeit wird wieder lebendig, wenn ich sie heute betrachte.