Wenn eine Ausstellung aus den Beständen der Sammlung Brandhorst den Titel „Forever Young“ trägt, kann man sich fragen: Wurde hier ein Fragezeichen vergessen? Oder handelt es sich um Ironie? Zumal sehr viele der gezeigten Arbeiten mehrere Jahrzehnte alt sind und bedeutende Gegenwartspositionen wie Post-Internet-Art nicht vertreten sind. Wie „jung“ kann so eine Ausstellung sein?
Patrizia Dander, leitende Kuratorin am Museum Brandhorst, hat „Forever Young“ zusammengestellt und erklärt, was mit dem Titel gemeint ist: „Es ging nicht darum, einfach die bedeutendsten Arbeiten unserer Sammlung zu zeigen. Vielmehr soll die Auswahl Bezugspunkte zur Gegenwart herstellen, zur gegenwärtigen Kunstproduktion, vor allem aber zur gesellschaftlichen Praxis – und das können Werke aus den 1960ern genauso wie ganz aktuelle.“
Die gezeigten Arbeiten docken an zentrale Themen des Hier und Jetzt an: an den Feminismus und die Identitätspolitik, an die Rolle von Subkulturen, die Thematisierung des Körpers, die Militarisierung der Gesellschaft, die immer noch steigerbare Kommerzialisierung aller Lebensbereiche und nicht zuletzt an die Digitalisierung. All das taucht in „Forever Young“ auf; mal ganz offensichtlich und direkt, mal als Zitat oder als Metadiskurs. „Immer ging es uns um die Frage: Was ist gerade jetzt relevant?“, so Dander.
„Das Schöne an der Pop-Art ist ihre Großzügigkeit“
Es ist nur konsequent, dass Pop eine zentrale Bedeutung in der Ausstellung spielt. „Das Schöne an der Pop-Art ist ihre Großzügigkeit“, sagt Dander. „Sie ist so offensichtlich mit dem Leben verbunden.“ Die überragende Figur – sowohl kunstgeschichtlich als auch in der Sammlung Brandhorst – ist natürlich Andy Warhol. In „Forever Young“ ist er mit 45 Arbeiten vertreten. „Man kann Warhol mit Fug und Recht als einen der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts bezeichnen“, so Dander. „Ganz viele seiner Themen sind bis heute brandaktuell: seine Beschäftigung mit Gender und Queerness, mit Körpern und Selbstdarstellung, mit der Bild- und Warenzirkulation.“
In „Forever Young“ geht es darum, eine Seite von Warhol – und generell von Pop-Art – zu zeigen, die bisher noch nicht so sehr im öffentlichen Bewusstsein ist: die politische und gesellschaftskritische Dimension. „Wenn Warhol etwa Mitte der 1970er-Jahre in seiner Serie ‚Ladies and Gentlemen‘ das Leben und den Look von vorwiegend Schwarzen Transvestiten zeigt, ist das aus heutiger Sicht ein dezidiert identitätspolitisches und somit überraschend aktuelles Statement“, sagt Dander. Von hier lässt sich eine direkte Linie in die 1990er-Jahre ziehen, wenn Wolfgang Tillmans in seinen Porträts dem utopischen Potenzial der Rave-Szene nachspürt.
So werden alle etwas finden, was direkt mit ihrer Welt zu tun hat
Ein ähnlicher Publikumsliebling wie Warhol ist Jean-Michel Basquiat. Seine von Phänomenen wie Graffiti beeinflussten Werke reflektieren – ähnlich wie die gezeigten Arbeiten von Keith Haring – den Lebensraum Großstadt, der ab den frühen 1980er-Jahren in der Kunst zunehmend thematisiert wird: seine Codes und Styles, aber auch die ständigen Veränderungen, denen er unterworfen ist, sowie seine zunehmende Kommerzialisierung.
„Das Schöne an ‚Forever Young‘ ist, dass die Ausstellung für alle Besucher etwas bereithält“, sagt Dander. „Das Fachpublikum etwa bekommt in den ‚Spot On‘-Räumen – die sich einer Künstlerin oder einem Künstler widmen – Arbeiten zu sehen, die wir neu in der Sammlung haben. Aber auch Besucherinnen und Besuchern, die zeitgenössische Kunst erst für sich entdecken, wird es leicht gemacht, weil alle Werke auf die eine oder andere Weise mit der Gegenwart verknüpft sind. So werden alle etwas finden, was direkt mit ihrer Welt zu tun hat.“
Noch bis 7. Januar 2020 sind in den „Spot On“-Räumen zwei Einzelpräsentationen von R.H. Quaytman und Michael Krebber zu sehen. In den Medienräumen des Museums werden aktuell Filmarbeiten von Mark Leckey gezeigt.