Recherche-Kollektiv

Forensic Architecture bekommt "Alternativen Nobelpreis"

In Stockholm wurde der Right Livelihood Award verliehen, der als "Alternativer Nobelpreis" bekannt ist. Ausgezeichnet wird auch das britische Recherche- und Kunstkollektiv Forensic Architecture

Für ihren gewaltfreien Einsatz für Gerechtigkeit und Wahrheit werden Aktivisten und Organisationen aus vier Weltregionen mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet. Der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bekannte Preis geht in diesem Jahr an die indigene Aktivistin Joan Carling von den Philippinen, den palästinensischen Menschenrechtsaktivisten Issa Amro und die von ihm gegründete Aktivistengruppe Youth Against Settlements, die Umweltaktivistin Anabela Lemos und ihre Organisation Justica Ambiental aus Mosambik sowie das britische Forschungsprojekt Forensic Architecture.

Die Träger des Right Livelihood Awards werden alljährlich kurz vor den Nobelpreisträgern verkündet, die ab Montag in Stockholm und Oslo gekürt werden. Über die Jahre hat sich der Beiname Alternativer Nobelpreis für den Award eingebürgert, auch wenn die Auszeichnung in kritischer Distanz zu den eigentlichen Nobelpreisen steht. Berücksichtigt wurden in diesem Jahr 176 Nominierte aus 72 Ländern.

Das britische Recherchekollektiv Forensic Architecture, das vom israelischen Architekten Eyal Weizman 2010 am Londoner Goldsmiths College gegründet wurde, untersucht Menschenrechtsverstöße und Umweltverbrechen, oft begangen von staatlichen Akteuren. Dazu setzten die Mitglieder des Kollektivs wissenschaftliche, technologische und juristische Techniken ein, so arbeiten sie beispielsweise mit Architekturmodellen von Tatorten, digitalen Simulationen und Sound- und Videoaufnahmen. 

"Erheblichen Einfluss"

Ihre Recherchen, auch zu Themen aus Deutschland wie dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke, den NSU-Verbrechen oder dem rechtsterroristischen Angriff von Hanau, wurden auch immer wieder im Kunst-Kontext gezeigt. So war Forensic Architecture Teil der Documenta 14 in Kassel und stellten im Frankfurter Kunstverein aus. Außerdem war das Kollektiv für den renommierten britischen Turner-Kunstpreis nominiert. 

In der Begründung der Jury heißt es: "In einer Zeit, in der Wahrheit und Fakten ständig in Frage gestellt werden, auch von Regierungen, trägt die Arbeit von Forensic Architecture dazu bei, eine neue Ebene der Kontrolle zu schaffen, um die Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, indem Technologie und Zeugenaussagen genutzt werden. Durch ihr großes Engagement für die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort und die Entwicklung und Verbreitung neuer Beweistechniken hat die Arbeit der Organisation einen erheblichen Einfluss auf internationale Gerichtsverfahren und Menschenrechtsuntersuchungen. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, Täter zur Rechenschaft zu ziehen und Gemeinschaften in die Lage zu versetzen, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen."

Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel und dem dadurch ausgelösten Gaza-Krieg wurde Forensic Architecture teilweise vorgeworfen, einseitig gegen Israel zu ermitteln und unter dem Deckmantel der Objektivität Partei zu ergreifen. Das Kollektiv wies dies zurück und erklärte, politisch nicht voreingenommen zu sein.

Verleihung am 4. Dezember

Die Preisträger des Right Livelihood Award werden am 4. Dezember bei einer Preiszeremonie in Stockholm geehrt. Die Auszeichnung ist unter anderem mit lebenslanger Unterstützung durch die Right-Livelihood-Stiftung verbunden, die bis heute fast 200 Preisträger aus 77 Ländern geehrt hat. Seit 1980 haben den Preis unter anderem weltbekannte Persönlichkeiten wie die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, US-Whistleblower Edward Snowden und die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg erhalten. 

Manche Preisträger wie die kenianische Umweltschützerin Wangari Maathai, der kongolesische Arzt Denis Mukwege und der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki wurden Jahre nach ihrer Right-Livelihood-Auszeichnung auch mit dem Friedensnobelpreis geehrt.