Kann man sich neu erfinden? Kann man – als Einwanderer in einem neuen Land, als Akteur auf dem Feld der Kunst – eine neue Heimat finden? Was Franz Kafka in seinem unvollendeten Roman "Der Verschollene/Amerika" vor gut 100 Jahren aufwarf, führte Martin Kippenberger (1953-1997) zu einem guten Schluss: "The Happy End of Franz Kafka’s 'Amerika'" gilt als letzte große Installation des Künstlers. Ungetrübt ist das Glück aber nicht: Wie Kafkas Protagonist Karl Roßmann konnte auch Kippenberger in den USA nur schwer Fuß fassen; Zugehörigkeit und Zurückweisung sind zentrale Themen seines Werks.
Die selten gezeigte Großinstallation ist im Frühjahr 2021 im Essener Museum Folkwang zu sehen. Der damals 41-Jährige baute ein etwa 20 mal 30 Meter großes Sportfeld, auf dem 50 Sitz- und Tischgruppen stehen. In Essen werde die "Urfassung" von 1994 präsentiert, teilte das Kunstmuseum am Donnerstag mit. Das Werk wird vom 7. Februar bis zum 2. Mai in der großen Ausstellungshalle gezeigt.
Die Installation stelle ein improvisiertes Großraumbüro unter freiem Himmel "als Schauplatz von massenhaften, gleichzeitig stattfindenden Einstellungsgesprächen" dar, erklärte das Museum. "Thematisiert wird die Erfahrung des Einzelnen, einer fremden und befremdenden Gesellschaft gegenüberzustehen und sich behaupten zu müssen."
Es handele sich um ein Schlüsselwerk des Künstlers. Es konfrontiere die Betrachter "mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen nach den Mechanismen von Integration, Repression und Macht". Die Installation, an der Kippenberger drei Jahre arbeitete, wird nach früheren Angaben des Museums erstmals nach vielen Jahren wieder vollständig und in Deutschland zu sehen sein.
Parallel zeigt das Museum in der Villa Hügel, dem früheren Sitz der Industriellenfamilie Krupp, 120 Künstlerbücher und 140 Plakate Kippenbergers aus dem Zeitraum von 1979 bis 1997. Der Titel dieser Ausstellung lautet "Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel" und ist einer Ausstellung Kippenbergers entlehnt, die 1996 in der Villa Merkel in Esslingen zu sehen war.
Kippenberger wuchs als Sohn eines Bergwerksdirektors in Essen auf. Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter hatte ihn im Dezember vergangenen Jahres als "bedeutendsten Nachkriegskünstler der Stadt" bezeichnet.