Neues Musikvideo

FKA twigs huldigt dem großartigen Brunnen von Kara Walker

Kara Walkers Brunnenskulptur "Fons Americanus" ist ein Blockbuster in der Turbine Hall der Londoner Tate Modern. Dieses postkoloniale Heldendenkmal steht jetzt im Zentrum des neuen Videos der britischen Musikerin FKA twigs 

FKA twigs sitzt auf einem Stuhl in einem leeren Zimmer. Sie versucht aufzustehen, wird aber immer wieder durch mysteriöse Kräfte zurückgezogen. Sie schafft es in den Nachbarraum – und wird erneut zurückgewirbelt. Der neuer Song "Don’t Judge Me", für den die britische Sängerin sich mit dem Rapper Headie One zusammengetan hat, handelt wie das zugehörige Video von gewaltsamen Strukturen, vom Rassismus in Großbritannien, dessen Ursprünge weit zurück in die Geschichte reichen.

In dem am Dienstagabend veröffentlichten Clip kämpfen FKA twigs und Headie One "gegen unsichtbare Kräfte der Verurteilung und Unterdrückung", sagt der ghanaisch-niederländische Regisseur Emmanuel Adjei. Auch sehen wir Schwarze Tänzer:innen, die verrenkt vor der spektakulären Brunnenskulptur "Fons Americanus" der Künstlerin Kara Walker liegen und wie unter größter Anstrengung Bewegungen ausführen. Dieser "riesige, vom viktorianischen Zeitalter inspirierte Brunnen – der die historische, leidvolle Geschichte der Sklaverei und Kolonialisierung darstellt –  ist Kulisse und vor allem Geist des Films, so Adjei, "dieses wichtige Denkmal schafft eine weitere Ebene der Tiefe und Bedeutung für eine unsichtbare und doch gemeinsame Geschichte."

Kara Walkers Brunnenskulptur war 2019 in der Tate Modern der Herbstblockbuster der Londoner Museen und ein außergewöhnliches Kunstereignis. Es ist nicht nur die Größe, die in der Industriekulisse der Turbine Hall überwältigte. Es ist auch das Gewicht der historischen Verweise, das einen umhauen kann. Das Vorbild von "Fons Americanus" - das Victoria-Denkmal vor dem Buckingham Palace von 1911 - feiert das British Empire und zeigt eine thronende Königin Victoria unter einem goldenen Engel, die stolz über ihre Untertanen auf fünf Kontinenten wacht. Auf dem Höhepunkt des Kolonialreichs 1913 regierte die Monarchin über ein Viertel der Weltbevölkerung.  

Diesem Szenario von Glanz und Herrschaft setzt Kara Walker die Perspektive der Beherrschten und die Verknüpfung des Empires mit Sklaverei und Unterdrückung entgegen. Im klaren Brunnenwasser schwimmt das Konzept des "Black Atlantic" mit, das die Kontinente Europa, Afrika und Amerika verbindet und vom Verkauf und der Verschiffung von Menschen übers Meer erzählt. Walkers Version des goldenen Empire-Engel zeigt eine Sklavin mit aufgeschnittenen Hals, aus der das Wasser strömt. Ihre "Queen Vicky" am Brunnensockel ist eine lachende schwarze Frau mit Turban und Kokosnuss. Und neben einem Unabhängigkeitskämpfer in Uniform steht ein Baumstumpf mit Schlinge, an dem man sich gelynchte Schwarze Körper vorstellen muss.   

Im Video zu "Don’t Judge Me" ist "Fons Americanus" in der Tate Modern zu sehen, wo die Skulptur noch bis zum 7. Februar stehen wird. Allerdings ist das Museum aktuell coronabedingt geschlossen.