Fotograf F.C. Gundlach

"Für mich begann das digitale Zeitalter 1979"

Der Fotograf F.C. Gundlach ist im Alter von 95 Jahren verstorben. 2015 beantwortete er den Entweder-Oder-Fragebogen von Monopol. Lesen Sie hier noch einmal seine Antworten zu Lieblingskünstlern und Lebensphilosophie
 

Oehlen oder Kippenberger?

Im Werk von Oehlen bildet die Malerei den Schwerpunkt – im Werk von Kippenberger stehen die Malerei und die Fotografie gleichberechtigt nebeneinander.

Polke oder Richter?

Ganz klar Polke. Polke war der wesentlichere Inspirator.

Malerei oder Fotografie?

Die Kamera ist der Pinsel guter Fotografen.

Hamburg oder Berlin?

Spontan würde ich sagen: Berlin. In Berlin bewegt sich im Moment viel. Aber solange Berlin ein Vorort von Hamburg ist, ist alles in Ordnung.

Paris oder New York?

In den 50ern Paris, in den 60ern London und ab den 70ern eindeutig und vehement New York.

Köln oder Düsseldorf?

Köln. Wegen des Dialekts. Und die Kölner haben mehr Humor, komischerweise.

Wahrheit oder Arbeit?

Wahrheit ist Arbeit.

Käsetorte oder Eischnittchen?

Käsetorte. Auf keinen Fall aber würde ich das Stück Würfelzucker mit der Zuckerzange in den Tee geben!

Romy oder Hilde?

Die kann man nicht vergleichen. Romy ist Gefühl und Dramatik, sie ist ein Mythos. Letztlich sind beide tragische Figuren.

Heute denken oder morgen fertig?

Für mich genau in dieser Reihenfolge.

SUV oder Cabriolet?

Seit Ende der 50er für mehr als 30 Jahre nur der 911er, danach machte Auto fahren keinen Spaß mehr.

Chauffeur oder Taxi?

Chauffeur ist bequemer, Taxi macht unabhängiger.

Privatkoch oder essen gehen?

Essen gehen, ansonsten ist mein eigenes Carpaccio das beste der Republik.

Loafer oder Brogues?

Am liebsten ein Paar alter, handgenähter Budapester.

Kunst- oder Naturlicht?

Das hängt ganz vom Sujet ab. Vom französischen Film habe ich gelernt, wenig Licht einzusetzen. Für mich war es dann vorzugsweise nur ein Scheinwerfer – one single source –, den ich noch heute besitze.

Montage oder Collage?

Doppel- und Dreifachbelichtungen waren die Form meiner Montagen.

Straße oder Studio?

Die Straße ist einfach inspirierender in ihrer Lebendigkeit, in ihrer Atmosphäre. Die weiße Wand im Studio ist der kritischste Hintergrund.

Schwarz-Weiß oder Farbe?

Schwarz-Weiß ist immer auch Abstraktion. Aber die Farbe in der Fotografie sollte nicht einfach bunt sein.

Posen oder laufen?

Posen akzentuieren Stil, Schnitt und Typ. Laufen hingegen kann zur Pose geraten.

Nackt oder gerahmt?

Etwas zu verhüllen kann es auch interessant machen!

Fashion oder Haute Couture?

Als Mitte der 60er-Jahre das Prêt-à-porter erfunden wurde, war das das Ende der Haute Couture mit den handgenähten Säumen und unendlichen Plissees. Die Gesellschaft, ja die Menschen hatten sich geändert, und nun wollten und konnten alle an der Mode teilhaben. Heute sind wir auf einem Standard, der nicht mehr zu unterbieten ist, in der Einfachheit der Schnitte und natürlich im Preis.

Noch Emulsion oder schon Bildsensor?

Für mich begann das digitale Zeitalter 1979 mit dem Versuch, bei Hell in Kiel einen ersten Scanner zu kaufen. Mein Wunsch wurde zunächst mit der Gegenfrage beantwortet, was ich mit einem Scanner wolle, ich sei doch schließlich Fotograf! Ein Jahr später kaufte ich dann doch einen, er war zwei Meter breit und wog eine Tonne.

Reportage oder Modefotografie?

Dass ich mit Reportagefotografie anfing, hat mich auch in der Modefotografie immer inspiriert. Ich war einfach flexibler, dynamischer. In meiner Sammlung sind beide in ausgewogener Mischung vertreten.

Wim oder Donata Wenders?

Die beiden sind zwar verheiratet, aber jeder von ihnen drückt seine Sicht auf die Welt in großartigen, individuellen Werken aus.

"Vogue" oder "Harper’s Bazaar"?

Heute wieder "Vogue".

60er- oder 80er-Jahre?

Die 60er-Jahre waren die Dekade der größten Veränderungen, nicht nur in unserem Leben, sondern auch in der Kunst. Die Emanzipation, die Pille, die Beatles – Ende der 60er war der Mini gesellschaftlich akzeptiert, ein breiter Gürtel konnte bereits ein Rock sein.

80er- oder Nuller-Jahre?

Das Jetzt ist wichtig: Im Moment gibt es wieder größte Veränderungen.

Botox oder Falten?

Auf keinen Fall Botox. Das Leben prägt die Gesichter.

Geld oder Leben?

Leben. Wenn mir das Schicksal treu bleibt, vollende ich in neun Monaten mein 90. Lebensjahr.

Entscheidender Augenblick oder Konzept?

Es gibt Augenblicke, in denen das Konzept dominiert.

Analog oder digital?

Eindeutig digital. Das Ende der Veränderungen unseres Lebens in der digitalen Welt mit allen Konsequenzen ahnen wir heute noch nicht einmal. Ich habe einen ganzen Schrank voller Rolleis, Hasselblads und Leicas – aber fotografieren tue ich mit meinem Handy.

Schönste Frau vor Ihrer Linse?

Jede Zeit hat ihre Schönheitsideale. Die Gesellschaft gibt die jeweils dominierenden Codes vor.

Schönster Mann vor Ihrer Linse?

Siehe oben. Aber vielleicht Cary Grant.

Selfie oder nicht?

Selfies brauche ich nicht, der Blick in den Spiegel reicht mir.

Helmut Newton oder Wolfgang Tillmans?

Wolfgang Tillmans. 1992 habe ich eine seiner ersten Ausstellungen in meiner Galerie gezeigt und würde gern mal wieder eine mit ihm machen.

Robert Mapplethorpe oder Richard Avedon?

Beide. Ich habe 1981 auf Empfehlung von Sam Wagstaff Mappelthorpes Ausstellung "Black Males" gezeigt, aber schon 1979 meine erste Avedon-Ausstellung: "Giant Portraits".

CFA (Galerie Contemporary Fine Arts, Anmerkung der Redaktion) oder CDU?

CFA! MfG, FCG.