Was kann Theater in unserer Gegenwart leisten? Kann es Wirtschaft und Gesellschaft sogar verändern und inspirieren? Darüber sprechen die Monopol-Podcaster Friedrich von Borries und Torsten Fremer in der aktuellen Ausgabe von "Fantasiemuskel" mit dem Schweizer Kurator, Künstler und Theatermacher Stefan Kaegi, der als einer von drei Gründungsmitgliedern des Theaterlabels Rimini Protokoll seit mehr als 20 Jahren eine besondere Form des dokumentarischen Theaters entwickelt.
Besonders sind die Inszenierungen vor allem deshalb, weil sie weitgehend auf klassische Theaterräume und ausgebildete Schauspielerinnen und Schauspieler verzichten. Auch inhaltlich werden keine etablierten Stücke gespielt, sondern gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen werden auf vielfältige menschliche Perspektiven heruntergebrochen und so erlebbar gemacht.
Im Gespräch erfahren die Podcaster, dass Kaegi das klassische Theater mit seiner Guckkastenbühne verstört und vor allem ermüdet hat. "Warum tun die da vorne so, als wären sie andere, und warum?", fragt er. Er finde viel interessanter, wer jemand wirklich ist. Deshalb spielen in den Stücken des Theaterlabels die Darstellerinnen und Darsteller die Rollen, die sie auch im realen Leben einnehmen. Vom osteuropäischen Lastwagenfahrer über den Waffenhändler bis hin zur asiatischen Familienunternehmerin tauchen verschiedenste Akteure aus aller Welt auf.
Die Mächtigen auf die Bühne holen
In vielen Inszenierungen von Rimini Protokoll werden die Zuschauenden zu Teilnehmenden, agieren zum Beispiel als Abgesandte eines Landes bei einer Weltklimakonferenz. Genau hierin, so Kaegi, liege die Kraft des Theaters: Als körperliche Auseinandersetzung ermögliche sie eine intensive Erfahrung.
Kaegi reizt auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen im Transformationsprozess. "Unternehmen als Ensemble zu verstehen, finde ich total interessant". Außerdem habe Theater historisch viel mit der höfischen Kultur zu tun gehabt, so Kaegi, noch heute würden deshalb viele Dramen gespielt, die von Aufstieg und Fall der Herrschenden handeln. Die Mächtigen der Wirtschaftsunternehmen seien dagegen viel zu selten gefordert, sich öffentlich zu äußern – und Verantwortung zu übernehmen.