In der aktuellen Folge vom "Fantasiemuskel" ist die Psychologin und Transformationsforscherin Irina Nalis zu Gast, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven einen Blick auf gesellschaftliche Transformation wirft. So ist sie unter anderem Mitglied des Rates für Kreativwirtschaft des österreichischen Wirtschaftsministeriums, ehrenamtliche Geschäftsführerin einer Non-Profit-Organisation, arbeitet an der Technischen Universität Wien an verantwortungsvoller Gestaltung von KI, bei Mostlikely Architecture und als Kuratorin für Biennalen und Festivals wie das Elevate Festival für Musik, Kunst und politischen Diskurs in Graz.
Irina Nalis berichtet den Podcastern Alexander Doudkin und Torsten Fremer, wie sie Transformation von klein auf als Normalität erlebt hat. Ihre Eltern waren Sozialreformer, deren Engagement für Bildung und Inklusion prägend war. Ihre biografischen Erfahrungen motivierten sie, Veränderungsprozesse in der Gesellschaft zu erforschen und aktiv mitzugestalten. Für sie ist Transformation nicht nur ein Schlagwort, sondern ein alle Lebensbereiche durchdringendes Handlungsprinzip. Und sie ist davon überzeugt, dass die Fähigkeit zu Transformation trainierbar ist. Dafür braucht es jedoch Teams und keine individuellen Genies. Die Fähigkeit, vielschichtige Probleme anzugehen, erfordert in unserer komplexen Gegenwart ein kollektives Umdenken: weg von egozentrischen Ansätzen hin zu einer "EGO zu ECO"-Perspektive. Transformation als echter Teamsport eben.
Die Psychologie ist dabei für Nalis ein wichtiges Instrument. Sie plädiert dafür, psychologische Ressourcen nicht nur zur Problemdiagnose, sondern auch zur Förderung von Wachstums- und Veränderungskompetenzen zu nutzen. Ihre Forschungen zeigen, dass Menschen, die regelmäßig Veränderungen erleben und meistern, flexibler und widerstandsfähiger werden. Hierbei geht es nicht um Optimierung des Einzelnen, sondern um die Befähigung, gesamtgesellschaftliche Transformation zu gestalten.
"Zukunft war schonmal ein geilerer Ort"
Nalis kritisiert, dass Visionen und Vorstellungskraft in unserer aktuellen Kultur oft als naiv abgetan werden. Dabei zeigt die Forschung, dass die Fähigkeit, sich alternative Zukünfte vorzustellen, entscheidend für Motivation und Resilienz ist. Doch diese Kraft wird durch die vorherrschende Rating- und Review-Kultur untergraben, die Innovation durch Angst und Absicherung hemmt. "Wir haben eine Kultur entwickelt, in der kritisch sein als die schlaue Lösung gilt. Dadurch verstellen wir den Weg auf gute Lösungen." Nalis fordert mehr Mut und Hartnäckigkeit, um neue Bilder von Zukunft zu entwickeln und sie gegen Widerstände zu verteidigen - ein Akt der intellektuellen und kreativen Befreiung von der ewigen Wiederholung des Immergleichen. "Zukunft war schonmal ein geilerer Ort".
Als Schnittstelle zwischen Kunst und Technologie sieht Nalis die Möglichkeit, Kreativität und digitale Innovation zu verbinden. Sie forscht an der TU Wien über den sogenannten digitalen Humanismus, der Algorithmen nicht nur als Verstärker von Bedürfnissen, sondern als Förderer von Vielfalt und Überraschung einsetzen will. Serendipität ist hier das Stichwort, also mehr Zufall wagen. Empfehlungsalgorithmen sollten dazu beitragen, den Fantasiemuskel zu trainieren, anstatt ihn verkümmern zu lassen.
Aber um im Team zu bestehen, kann natürlich auch der Einzelne trainieren. Nalis empfiehlt, Ambiguitätstoleranz zu üben. Die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten und Energie aus dem Unklaren zu schöpfen, sei essenziell für eine transformative Lebensweise. Kunst und Kultur bieten hierfür ein ideales Trainingsfeld, da sie uns herausfordern, ohne klare Antworten zu bieten.
Sie können "Fantasiemuskel", den Monopol-Podcast über Kunst, Wirtschaft und gesellschaftliche Transformation, auf allen bekannten Plattformen hören – oder die neue Folge direkt hier: