Exoskelett-Hose zum Wandern

Das E-Bike für die Beine

Bisher waren Exoskelette ein Thema für Militär und Medizin, jetzt bringt ein Start-up eine motorisierte Wanderhose heraus. Für Trekking-Puristen ein No-Go. Doch in Zukunft werden wir anders über körperliche Aktivität nachdenken müssen

Geht es um Sport- und Naturerfahrungen, kann es vielen nicht puristisch genug zugehen. So ist es für Hardliner ein Hochverrat, wenn man segeln geht, ohne zu wissen, wie man Himmel, Karte und Kompass liest und stattdessen ein elektronisches GPS-System benutzt. Nicht anders ist es bei Mountainbikes mit E-Motor. Wer technische Hilfe benötigt, um den Berg hochzukommen, hat es nicht verdient, runterzurasen. Und Autofahren ohne manuelles Schalten? Das ist doch kein Fahren. Das geht ewig so weiter, und letztlich stellt man fest, dass man solche Entwicklungen nicht aufhalten kann, wenn es die Dinge doch (vermeintlich) einfacher macht. 

Nun hat die Outdoormarke Arc’teryx mit dem Start-up Skip die erste Wanderhose mit integriertem Exoskelett vorgestellt. Damit sollen Trekking-Touren noch bequemer werden, und die Träger und Trägerinnen sollen sich damit rund 14 Kilogramm leichter fühlen. Der Assistenzgrad lässt sich einstellen, und der Akku verspricht eine Laufleistung von knapp drei Stunden. Für wirklich lange Wanderungen ist es demnach nicht geeignet, es sei denn, man hat ausreichend Wechselakkus im Gepäck, was aber letztlich wieder zum Nullsummenspiel werden könnte. Mo/Go nennt sich das Modell. Das Kürzel steht für Mountain Goat, also Bergziege. 

Da das Akronym Goat heute aber auch für Greatest of all Time steht und Top-Athlet:innen wie Lionel Messi, Michael Jordan oder Simone Biles beschreibt, wird hier vom Marketing her nicht tief gestapelt. "Goodbye Gravity" heißt es hierzu auf der Webseite. Die Hose soll Ende nächsten Jahres auf den Markt kommen und dann 5000 Dollar kosten. Bereits jetzt kann sie für 4500 Dollar vorbestellt werden. Die "Early-Adopter-Klientel" ist auch diesmal wieder die besser betuchte. Für die gleiche Summe planen viele Familien ihren gesamten Urlaub - wenn sie überhaupt so viel zur Verfügung haben. 

Frischeferien statt Hitzeschlacht

Wandern und Trekking liegen wieder voll im Trend. Zum einen, weil Bergregionen wie die Alpen verstärkt auf Tourismus in den Sommermonaten setzen, weil es im Winter kaum noch schneit. Zum anderen macht der Klimawandel den sommerlichen Strandurlaub am Mittelmeer immer häufiger zur Hitzeprobe. Die Tendenz geht zur sogenannten "Coolcation". Statt Sangria und Sonnenbrand geht es in die Ferien nach Finnland, Schweden, Litauen oder eben in die Berge, wo es erfahrungsgemäß auch etwas kühler ist. Was nun alteingesessene Alpinistinnen und Alpinisten zu einer Exoskeletthose sagen würden – man kann es sich ausmalen. Aber auch die freuen sich heute, im Notfall ein Handy in der Tasche vorzufinden, um Hilfe zu holen. Wird eine Exoskelett-Hose das Naturerlebnis wirklich trüben? Der Ausblick vom Berg bleibt der gleiche. 

Diese moderne Wanderhose ist aber auch aus anderer Sicht interessant. Bislang waren Exoskelette eher Thema für Militär und Medizin. Soldaten, die dank dieser Technologie übermenschliche Kräfte im Gefecht aufweisen oder Menschen mit Behinderung, die mithilfe von Exoskeletten wieder mehr am Alltag teilhaben können. Dass hier nun bewusst ein Freizeitsektor angesprochen wird, könnte zeigen, dass in Zukunft immer mehr Alltagsbereiche davon "profitieren" könnten.

Mein betreuender Redakteur erträumte sich schon das Brötchenkaufen mit Exoskelett als alter Mann im Jahr 2090. Vielleicht wird der nächste Umzug auch einfacher, wenn man sich ein Exoskelett zum Sprinter dazumieten kann. Und allgemein scheint ein breiter Einsatz von technischen Hilfsmitteln weniger unsympathisch, wenn es um körperliche Arbeiten geht, statt sich in Zukunft mit Humanoiden auseinandersetzen zu müssen. Wer weiß, vielleicht leiht man sich demnächst beim Trekkingurlaub so selbstverständlich ein Exoskelett aus, wie im Winter Skier und die passenden Schuhe. Jene Leute, die einmal E-Bike gefahren sind, wollen auch nicht mehr zurück - solange die Technik mitmacht und es nichts zu reparieren gibt.