Frau Schneemann, haben Sie in letzter Zeit einen Pussyhat getragen?
Natürlich. Ich habe schon immer für die weibliche Pussy gekämpft. Jede Art von Pussy ist wichtig für mich.
Wie haben Sie die Frauenmärsche gegen Donald Trump erlebt, die diese Kopfbedeckung kürzlich rund um den Globus verbreitet haben?
Es war unglaublich. Wundervoll. Ich musste mich von einer Operation erholen, deshalb konnte ich nicht dabei sein, aber ich habe im Bett alles verfolgt und viel darüber geschrieben - mit Hut.
Die Tatsache, dass solche Märsche für Frauenrechte wieder nötig sind, ist dagegen weniger wundervoll…
Es sind chaotische Zeiten, wie ein Alptraum. Wir dachten, dass diese Männer alle tot sind. Aber sie sind zurück. Wie schreckliche Geister, die die Regierung und soziale Organisationen heimsuchen und sich festsaugen. Das erste, was unsere Regierung getan hat, ist Organisationen wie Planned Parenthood die Mittel zu entziehen, sodass Frauen keine Entscheidungsmacht mehr über ihren eigenen Körper haben. Es fühlt sich an, als wäre die Zeit zurückgedreht worden.
Auch der Begriff des Feminismus erscheint gerade sehr dehnbar. Hier in Deutschland ist auch Ivanka Trump als Feministin bezeichnet worden.
So verrückt ist es inzwischen. Wenn Ivanka Trump eine Feministin ist, bin ich Faschistin. Lassen Sie uns mal die Balance wieder herstellen! Feminismus ist ein Schlachtfeld, genau wie Performancekunst. Es gibt rechte Radiofaschisten, die sich Performancekünstler nennen. Die Begriffe sind ziemlich zerrüttet und unpräzise. Wir müssen dafür kämpfen, uns wieder in der Sprache zu behaupten, und uns die Bilder und Begriffe zurückzuholen. Wenn das noch geht, denn sie sind ziemlich korrumpiert.
Ein Werkzeug der Selbstbehauptung war für Sie immer Ihr ziemlich idealer Frauenkörper - das zeigt auch Ihre große Retrospektive im Frankfurter Museum für Moderne Kunst. Wie gehen Sie damit um, dass dieses Werkzeug älter wird?
Mein Körper ist definitiv nicht mehr das selbe verfügbare Werkzeug. Es gab eine Zeit, in der ich die Präsenz des Körpers dazu brauchte, um eine alte Ordnung erotischer Erwartungen aufzubrechen. Hannah Wilke und ich waren überzeugt, dass wir disruptiv sein können, weil wir ideal waren und nicht aus dem Fokus gelacht werden würden. Weil wir ideal waren, konnten wir die Erwartung der Begierde korrumpieren. Mit einem älteren Körper zu arbeiten, hat einen ganz anderen Kontext und impliziert andere Dinge. Dafür ist es zu spät für mich.
Sie haben oft gesagt, dass Sie sich früher wie das Maskottchen des männlichen Künstlerteams gefühlt haben. Jetzt haben Sie auf der Venedig Biennale einen goldenen Löwen bekommen. Wie viel hat sich verändert?
Es gab ungeheure Veränderungen. Allein diese Ausstellung in Frankfurt, wo meine Arbeit im Kontext der Malerei gezeigt wird, ist ein Traum, der erst jetzt wahr wird. Früher haben doch alle nur auf den Körper gestarrt. Es gab auch viel Veränderung im männlichen Bewusstsein und in der Arbeit von männlichen Künstlern und Autoren.
Trotzdem scheint der Begriff "Künstlerin" immer noch mit der Erwartung verknüpft zu sein, vermeintlich "weibliche" Themen zu verhandeln.
Das stimmt, und wenn man erfolgreich ist, ist man die Ausnahme. Es gibt einen wunderbaren Film über meine Arbeit von Marielle Nitoslawska. Darin sagt eine der "WACK!"-Aktivistinnen aus Los Angeles: Wir warten auf den Tag, an denen Künstlerinnen nicht mehr als weiblich markiert werden, sondern einfach Kunst als Gleiche unter Gleichen machen können. Der Begriff woman artist hat immer noch etwas Marginalisierendes.
Während Ihre Bühne der Kunstraum war, finden sich heute die meisten Frauenkörper in den sozialen Medien. Auch wenn so sicherlich Sichtbarkeit für alternative Körper und Lebensentwürfe entsteht, wird Weiblichkeit doch größtenteils als hygienisch, gefiltert, gesund und harmlos inszeniert. Wie empfinden Sie diese Bilderflut?
Vieles wirkt auf mich kommerzialisiert und wie eine Ware inszeniert. Ich bin davon überzeugt, dass diese Körper kraftvolles Potenzial haben und die sozialen Medien dieses vermitteln können. Davon sieht man aber zu wenig. Deshalb möchte ich zu Bildern ermutigen, die sich mit Ökologie befassen, mit fragilen und gefährdeten Systemen. Ich nutze das Netz für diese Botschaften, aber ich empfinde das Digitale als Raum des Kommerziellen. Alles was davon abweicht, wird wiederum marginalisiert.