Jochen Hempel, zu Beginn des Jahres eröffneten Sie im Hamburger Kraftwerk Bille einen neuen Galerieraum. Wie kam es dazu?
Das war eine sehr kurzfristige Entscheidung. Hinter dem Kraftwerk Bille steht der Investor MIB Coloured Fields GmbH, der auch das Spinnereigelände sowie das AEG-Gelände in Nürnberg entwickelt hat. Zu dessen Eröffnung habe ich 2011 die von mir vertretenen Künstler Julius Popp und Beat Streuli gezeigt. Vor diesem Hintergrund hat Bertram Schultze, der Geschäftsführer der Spinnerei und Mitgesellschafter der MIB, mich gefragt, ob ich auch im Kraftwerk Bille temporär Kunst zeigen könnte. Als ich mit den Eigentümern zum ersten Mal in Hamburg gewesen bin, bei Schietwetter, hat das Gelände mich extrem beeindruckt. Ich bin in den Raum gekommen und habe gesagt: Das ist meiner!
Was zeichnet den Raum und das Gelände aus?
Die Halle ist fast quadratisch, 16 mal 18 Meter groß, mit zwei alten Oberlichtern. Es ist wie auf der Spinnerei im Jahr 1990, nicht renoviert, herrlich runtergekommen. Nutzbar, aber nicht nach heutigem Standard. Das ist das, was mich interessiert. Dass es so etwas Unfertiges in Hamburg noch gibt hat auch die Leute beeindruckt, die ich am Eröffnungswochenende eingeladen hatte. Der Standort ist sehr zentral, wird sich aber sicher erst in den kommenden zehn Jahren vollständig entwickeln. Da will ich dabei sein.
Im Kraftwerk Bille soll perspektivisch eine Mischung aus Kultur, Gastronomie und Gewerbe entstehen. Mitte Januar wurde die Lichtinstallation "EUROPA" von Caro Baumann und Johannes Schele auf dem Kraftwerk Bille eingeweiht. Sie zeigten passend dazu die Arbeit "Quai de l’Industrie" von Beat Streuli.
Die Arbeit ist 2008 zum ersten Mal im Mac’s, dem Musée des Arts Contemporains in Grand-Hornu, dann 2011 im Helmhaus in Zürich und 2014 in Paris im Musee d'art Moderne gezeigt wurden. Für Hamburg hat Beat nun eine ganz neue Version gemacht. Die Drei-Kanal-Projektion dreht sich um einen zentralen Ort zum Verschiffen von Autos von Europa nach Afrika in Brüssel. Beat hat dort gewohnt und quasi Afrika inmitten von Europa aufgenommen. Die Bilder der zufällig in den Bereich der Kamera geratenen Autofahrer fokussieren das individuelle Gesicht. Sie stehen prototypisch für Erfahrungen und für ein Lebensgefühl in einer urbanen Gesellschaft. Es ist kein Film, sondern es sind fotografische Überblendungen, die sehr malerisch wirken. In der zentralen Kesselhalle auf dem Gelände des Kraftwerkes war außerdem die Arbeit "bit.fall" von Julius Popp sowie in der Kohlenhalle die Arbeit "Die Rückkehr des Hirten" von Christina Moreno Garcia zu sehen.
Wie waren die Reaktionen?
Bisher habe ich den Raum nur am Eröffnungswochenende im Januar bespielt und meine engsten Sammler dazu eingeladen. Meine Galerie beruht darauf, ein sehr enges Verhältnis zu den Sammlern zu haben. Die kommen natürlich noch gern nach Leipzig, aber vielleicht nur noch aller zwei Jahre. Auch für sie sind neue Orte und neue Künstler interessant. Die Kunst hat inzwischen Eventcharakter. Hamburg ist eine Stadt, in die Leute gerne fahren und den Galerie- mit einem Museums- oder Theaterbesuch verbinden.
Was unterscheidet Hamburg von Ihren bisherigen Standorten in Leipzig und Berlin?
Hamburg ist kein leichtes Pflaster. Es gibt viel Geld, aber es wird nicht so viel Kunst gekauft. Mehr als zehn relevante Galerien gibt es nicht. Und die Hamburger sind sehr zurückhaltend. Wenn sie kaufen, zeigen sie es nicht.
Wann eröffnet die nächste Ausstellung?
Im September 2019. Bis dahin sind noch einige Umbauten nötig, für die ich bereits die Leipziger Architekten Schulz und Schulz im Boot habe. Möglicherweise gibt es im Sommer noch einmal eine temporäre Ausstellung.
Wie waren die Reaktionen der Hamburger Galeristen-Kollegen auf Ihre künftige Präsenz?
Diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, empfinden es als Bereicherung.
Sie sind derzeit die einzige Galerie auf dem Gelände. Könnten weitere folgen?
Am Eröffnungswochenende sind auch Kollegen aus Hamburg da gewesen, und es gab Gespräche darüber, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass sie einen Zweitladen eröffnen oder sich perspektivisch dorthin orientieren. Es gab auch schon Anrufe bei der Architektin, welche Räume noch frei wären. Da ist aber noch viel Arbeit nötig und ich gehe davon aus, dass sich das frühestens Mitte 2020 soweit entwickelt haben könnte, dass der Standort auch für andere interessant ist.
Seit 2012 sind Sie auch in Berlin. Was sprach über all die Jahre und auch weiterhin für die Doppelpräsenz in Leipzig und Berlin?
Künstler wollen in Berlin ausstellen und brauchen vor Ort eine Repräsentanz. Wenn ich nicht da wäre, dann müssten die Künstler, die ich vertrete und die ein Atelier in Berlin haben, noch eine andere Galerie vor Ort haben. Dafür ist der Weg Leipzig - Berlin wiederum zu kurz.
War es jemals eine Option, den Standort Leipzig aufzugeben?
Nein. Das ist ein sehr guter Standort. Ich habe in Leipzig einen der besten und interessanten Galerieräume in Deutschland, sowohl in Hinblick auf die Räume als auch auf die Flexibilität der Wände und noch dazu auf einem sehr guten Areal. Zudem ist meine persönliche Basis hier, ich bin hier groß geworden.
Es gibt den leichten Aufwärtstrend, dass die Galerien in den neuen Bundesländern, in Leipzig, Dresden und Erfurt mehr Kunst verkaufen, vor allem auch in höheren Preisklassen. Können Sie dies bestätigen?
Das kann ich bestätigen. Traurig ist, dass viele sich darauf spezialisiert haben und sagen: Ich kaufe nur das, was aus Leipzig kommt. Das ist legitim. Für den Galeriestandort Leipzig ist es aber nicht gut, weil wir praktisch keine internationalen Ausstellungen zeigen brauchen. Das verstehe ich aber als Teil des Galeriegeschäfts. Käufer wollen den Künstler kennen, eine Beziehung zu ihm haben. Aber so entstehen keine international relevanten Sammlungen.