Wut und Zorn erleben gerade eine globale Hochkonjunktur. Auf allen Ebenen des politischen Spektrums wird auf das "Establishment" eingedroschen. Da bleibt es nicht aus, dass auch Künstler die Antriebskraft extremer Gefühle entdecken, um Luft abzulassen angesichts der Trumpisierung der Verhältnisse. Ob Populismus, Fake News, Rechtsruck, Demokratieverlust, Rassismus oder Homophobie – die Liste der aus linksliberaler Perspektive zu bekämpfenden Schieflagen ist schier endlos. Das Kuratoren-Duo Linda Peitz und Florian Peters-Messer bezieht in diesem multiplen Feld mit seiner Auswahl eine klare Position, Ambivalenzen sind in dem gegenwärtigen Chaos zunehmend irrationaler Haltungen nicht erwünscht.
Ob der Imperativ des Widerstands auch als Impulsgeber für eine neue Ästhetik taugt, lässt sich beim Gang durch die Düsseldorfer Gruppenschau zwar bezweifeln, zumal man gehäuft auf die üblichen, bereits länger empörten Verdächtigen der gegenwärtigen Polit-Kunst trifft, von Santiago Sierra über Monica Bonvicini bis zu Kader Attia.
Mitunter gerät die emotionale Mobilmachung auch arg temperiert: Wenn Julian Röder etwa über Jahre Proteste gegen diverse G8-Gipfel fotografiert, dann reiht er sich in eine lange Traditionsreihe der Dokumentation politisch motivierter Demonstrationen ein, ohne den üblichen Bilderkanon jemals zu durchbrechen. Das gilt auch für die konventionellen Foto-Porträts der Südafrikanerin Zanele Muholi, die in ihrem Heimatland lesbischen Frauen und Transgender zur Sichtbarkeit verhilft.
Aber hier und da unterstützt die Form dann doch auf überraschende Weise das inhaltliche Anliegen, wenn etwa Nicholas Warburg mit seinem "Bilderatlas Mimir" (2020) frei nach Aby Warburgs "Mnemosyne" ein fotografisches Horrorkabinett des rechtsextremen Aufbäumens collagiert. Der 1992 geborene Mitbegründer des Kollektivs "Frankfurter Hauptschule" begnügt sich dabei ganz zu Recht mit der ernüchternden Faktizität der Bilder, von Leni Riefenstahls Olympia-Filmen über Corona-Leugner in gestreifter KZ-Kleidung bis zur aseptischen Reinheit einer Kinderschokolade-Packung.
Mit verwirrender Monumentalästhetik spielt auch Šejla Kamerić. Ihr in zehn Meter Höhe angebrachtes Selbstporträt besticht zunächst durch den durchbohrenden Blick, bis der Text, den ein niederländischer Blauhelm-Soldat während des Bosnienkriegs auf eine Kasernenwand in Srebrenica geschmiert hatte, für ansteigenden Adrenalinpegel sorgt: "Keine Zähne, ein Schnurrbart, Geruch wie Scheiße: bosnisches Mädchen." Die Sprengkraft von Humor sollte bekanntlich auch nicht unterschätzt werden.
Erik van Lieshout agitierte 2006 Fahrrad fahrend auf einer Grand Tour durch Deutschland. In seiner Installation "Rotterdam-Rostock" trifft er auf jede Menge Wutbürger, die ihren Aggressionen gegen Migranten, Juden oder Ostdeutsche freien Lauf lassen. Vierzehn Jahre später hätten wohl noch die Corona-Diktatoren die querdenkerische Zielscheibensammlung vervollständigt.
Ganz am Ende des Parcours lädt eine interaktive Wand zum Niederschreiben der Eindrücke ein. Ob das angesichts der gesäten Affekte nicht zu brav gedacht ist? Das Kollektiv Slavs and Tatars hätte da wirksamere Kampfmittel im Angebot. Es hat eine Wand mit Plakaten von sauren Gurken tapeziert. Das Brisante daran: Sie ähneln weiblichen Brüsten. Dazwischen blickt man sich selbst in einem Spiegelglas an, das einer riesigen Kämpferfaust nachempfunden ist. Ist das nun die Wiedergeburt von Dada oder ein feministischer Aufruf zur Küchenschlacht? Kunst in Zeiten des Zorns darf alles – nur nicht kalt lassen.