Vermutlich wäre dieses Bier in Bayern schon längst verboten worden, so eine große Provokation ist es. Nicht nur Sorghum – das ist eine Hirseart – und Pfeffer sind dafür verbraut worden, sondern auch andere Zutaten afrikanischen Ursprungs. Und dann werben auch noch vier Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe dafür, und zwar, indem sie sich in Dirndl und Janker fröhlich zuprosten. Ja, was ist denn hier los?
"Åndas" heißt das Bier, hergestellt in der österreichischen Privatbrauerei Schloss Eggenberg, das in Zusammenarbeit mit dem nigerianischen Künstler Emeka Ogboh entstanden ist. Initiiert hat das limitierte Getränk Elisabeth Schweeger, künstlerische Leiterin der Kulturhauptstadt Europas 2024 Bad Ischl im Salzkammergut. Sie kam auf die Idee der Kooperation mit dem Klang- und Eat-Art-Künstler Emeka Ogboh. Der ist in Nigeria geboren, und seine Arbeiten waren auf der Documenta 14 in Athen und Kassel zu sehen. Ebenfalls 2017 stellte er bei den Skulptur Projekten Münster aus und war auch auf der 56. Biennale di Venezia oder der Dakar-Biennale zu sehen. Also keine so kleine Nummer für ein so kleines Bier!
Das Salzkammergut sei eine Mischung aus unberührter Naturschönheit und beständigen Traditionen, befand der Künstler nach seinem Besuch der österreichischen Region mit den leuchtenden Seen und weißen Bergspitzen. Es sei etwas abgeschieden geblieben und habe seine Homogenität bewahrt. Und das werfe eine tiefgreifende Frage auf: "Kann das Salzkammergut in einer Zeit zunehmender Vernetzung seine Türen für die Symphonie der Vielfalt öffnen, die nur darauf wartet, angenommen zu werden?"
Ob die Antwort im "Åndas"-Bier liegt, gilt es zu probieren. Aber bereits in der Kampagne zum Getränk liegt einiges an engagiertem und künstlerischem Anspruch. Da ist zum Beispiel das Etiketten-Design, das sich auf das Nsibidi-Symbol für "anders" bezieht. Nsibidi war die Bilderschrift einer Geheimgesellschaft im Osten Nigerias. Um das Logo herum soll die harmonische Farbmischung eine "visuelle Metapher für die Verschmelzung verschiedener kultureller Elemente schaffen" heißt es in den Erläuterungen zum Getränk. Die Fotos für die Kampagne, die auf Werbetafeln gezeigt werden, machen die vielfältigen Einflüsse noch offensichtlicher, wenn Ogboh Schwarze Menschen in einem zünftig-traditionellen Wirtshaus-Kontext zeigt.
Wie schmeckt Kulturaustausch?
Der 46-Jährige Künstler hat bereits Erfahrungen in Sachen Schaumkrone. Für die Skulptur Projekte 2017 hat er ein Bier brauen lassen, das er mit Münsteraner Lindenblütenhonig anreicherte und das in den Tanks mit Geräuschen der Stadt Lagos beschallt wurde. Und bei der Documenta 14 in Kassel ließ Ogboh 50.000 Flaschen "Sufferhead" brauen, das Chilliflocken beinhaltete und nach Schokolade schmeckte. Das Rezept beruhte auf Befragungen von Afrikanerinnen und Afrikanern in der Diaspora nach ihren aromatischen Erlebnissen und Sehnsüchten.
Ogboh, der vor allem im Bereich der Klanginstallationen und Videokunst arbeitet, begeistert auch den österreichischen Kurator Gottfried Hattinger, früher Leiter der Ars Electronica. "Seine Installationen und kulinarischen Projekte sind Collagen, die auf einem multisensorischen Ansatz basieren und alle Elemente unserer Sinneswahrnehmungen – Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen – behalten. Im Mittelpunkt stehen die Übersetzung, Transformation und Kodierung privater, öffentlicher und kollektiver Erinnerungen und Geschichten im Hinblick auf die Vielfalt unserer sensorischen Erfahrungen. Seine Arbeit taucht in den Bereich der Sinneswahrnehmung ein, fängt unsere Verbindung zur Welt ein, formt unser Verständnis der Realität und bietet eine Plattform, um kritische Themen wie Migration, Globalisierung und Postkolonialismus zu verhandeln."
Hattinger arbeitet an der Serie "Art Your Village – der fremde Blick" der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl, die in zwölf Gemeinden des Salzkammerguts produziert wird. Dabei werden Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit lokalen Eigenheiten und gesellschaftlichen Belangen in den jeweiligen Orten auseinanderzusetzen und künstlerische Interventionen zu entwickeln. Und was böte sich da besser an, als sich mit dem Volksgetränk Bier zu beschäftigen?