Gruppenschau

Elmgreen & Dragsets Istanbul-Biennale zu Gast in München

Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset, Kuratoren der vergangenen Istanbul-Biennale, bringt einen Teil der viel zu schlecht besuchten Ausstellung nach München

Jeder von uns möchte willkommen sein. Deshalb hat das riesige, weiße Banner mit der schwarzen Aufschrift "Herzlich willkommen" in der Pinakothek der Moderne auch so eine Anziehungskraft. Hat man die vielstufige Treppe im Foyer erklommen, steht man erstaunt da: Das Eingangsbanner zur Ausstellung "A Good Neighbour" ist so niedrig angebracht, dass erwachsene Besucher nur eintreten können, wenn sie sich bücken. Nötigung zur Unterwerfung oder Aufforderung zur Grenzüberschreitung?

Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset, Kuratoren der vergangenen Istanbul-Biennale, bringt einen Teil der viel zu schlecht besuchten Ausstellung nach München. Angeleitet von großen Fragen im Einleitungstext (Wie haben sich unsere Vorstellungen von Heimat, Nachbarschaft und Zugehörigkeit in den vergangenen Jahren verändert?), steht man plötzlich vor der Arbeit "What's North, What's South?" von Vlassis Caniaris aus dem Jahr 1988: eine anonyme Gruppe aus Pappmaschee, Draht und Zeitungspapier in Alltagskleidung. Da ist sie: unsere Vorstellung vom fremden anderen.

In den Seitenräumen der dichten, anregenden Schau warten zwei Arbeiten, von denen man nicht lassen möchte. Den durchdringenden Blick des seltsamen einsamen Mannes hinter dem geschlossenen Fenster eines Waldhauses im Film von Vajiko Chach­khiani vergisst man nicht. Und der taubstumme Junge aus Syrien, der in "Wonderland" von Erkan Özgen im Krieg erlebte Gräueltaten aufgeregt und quicklebendig vorspielt, lässt zwischen Bewunderung und Entsetzen schwanken. Beide traurigen Helden fordern den Betrachter heraus: Man muss hinsehen, nicht weglaufen. Alles ist ganz nah.

Unwiderstehlich lockend und böse kommt die Mischtechnik-Serie der Amerikanerin Andrea Joyce Heimer daher. Immer kombiniert mit kurzen Texten, erzählen die sehr farbigen, eher illustrierenden Bilder vom absurden Alltag unserer Nachbarschaftsverhältnisse. Schaut man genauer hin, lassen sich Miniaturgewaltgeschichten entdecken. Wir sind zurückgeworfen auf uns selbst. Auch du bist fremd, in deinem eigenen Kiez.

Die übersichtliche, klug zusammengestellte Mini-Istanbul-Biennale mit einem Querschnitt verschiedenster künstlerischer Medien, vom Trickfilm über Fotos, Gemälde,­ Collagen und Skulpturen, trifft den Punkt: Die Welt kommt zu uns. So oder so.