Der Pavillon hat zu. Vorne, durchs Hauptportal, kann man jedenfalls nicht rein, seitlich davon führt aber eine enge Wendeltreppe hoch in eine Welt, die vor allem erst mal eins ist: grau. Damit hier jeder gleich versteht, worum es geht: Die Hoheitsarchitektur des deutschen Staatenhauses trägt das Kleid der Industrialisierung. Der mausfarbene Spanplatteneinbau wirkt wie brutal hineingehauen in den pseudosakralen Schacht. Grau, Farbe der Arbeit, Farbe der Theorie, Farbe des Fabriken: Hier geht es um was, das merkt man gleich.
Man ist also hochgestiegen, dem Pavillon zwar nicht aufs Dach, aber sozusagen in den Kopf hinein, und das passt metaphorisch ganz gut. Auf diesem auch geistigen Hochplateau schaut man hinaus und hinab ins Biennalegewimmel und seine Banalitäten: Mögen doch die anderen gelbe Würste ausstellen oder Pavillonwände rosa anmalen – die Deutschen nehmen ihre Aufgabe wieder mal ziemlich ernst. Und das ist in diesem Fall, bei all den seltsamen Pavillon-Belanglosigkeiten drumherum in den Giardini, ganz gut.
Beziehungsweise: notwendig. Vielleicht ist diese Biennale ein Wendepunkt in der Geschichte der politischen Kunst. Weil es eben so viel zu verhandeln gibt und die Künstler beginnen, das zu reflektieren. In Okwui Enwezors Hauptschau wird Marx’ Kapital vorgelesen und Alexander Kluge gibt hier die philosophische Richtung vor, im deutschen Pavillon geht es um recht Handfestes aus der Politik: Flüchtlinge, Waffenlieferungen, Arbeitsverhältnisse, die NSA – und einiges mehr.
Was ja nicht heißt, dass nicht die Ästhetik im Vordergrund steht. Tobias Zielonys Foto-Reportage erforscht in einer Langzeitstudie Schicksale von Migranten in Deutschland - und deren Heimatzeitungen berichten großflächig über seine Bilder. Das ist, erstens, eine herrlich ironische Umkehrung des medialen Schweigens hierzulande über das, was den Flüchtlingen nach ihrer Ankunft hier blüht, während wir, zweitens, fleißig und besorgt an die Grenzen der Festung Europa blicken, was bei Zielony eher nicht vorkommt.
Dieser Einbruch des Realen setzt sich fort in der Arbeit von Jasmina Metwaly und Philip Rizk, die mit einem Film und einer Installation das Ende einer ägyptischen Fabrik nacherzählen, die in die Hände von privaten Investoren geriet – was in Ägypten unter Hosni Mubarak etwas anderes bedeutete als hierzulande. Jedenfalls sieht man nicht nur den Film, sondern läuft auch, eine graue Treppe in den Seitentrakt heruntergestiegen, nicht etwa über den deutschen Marmorboden, sondern über knirschende, kaputte Fliesen aus Kairo, was natürlich ein Zitat von Hans Haackes Pavillonarbeit aus dem Jahr 1993 mit den zerstörten Bodenplatten ist, über die man drüberlaufen musste.
Bisschen zu sentimental vielleicht, diese Arbeit. Das kann man von Hito Steyerls Video nicht sagen. Es ist der Höhepunkt des Pavillons. Man sitzt in der Haupthalle des Pavillons, aber durch dessen jetzige Verwinkelung hat man das völlig vergessen. Da ist also dieses Neon-Liniengeflecht, durch das man sich wie im Film "Tron" vorkommt, und man schaut auf, ja, was eigentlich? Eine irre Bilderfahrt durch multiple Realitäten zwischen Videospiel, Nachrichtensendung, YouTube und anderen Spielformen des "olgorithmic turn", wie Steyerl die Digitalisierung der Bilder nennt. Steyerls "Fabrik der Sonne" massiert die Biomasse des Zuschauers mit Informationen aus Licht, die einen eintauchen lässt in einen dreisten, zynischen, atemberaubenden Techno-Porno flüssig gewordener Bilder.
Das Schönste am Pavillon aber ist, wie das alles zusammenspielt, die traurige Politik im Zentrum, das Bilderflimmern im neuen Keller – und die unsichtbare, beinahe schon altertümliche Werkstatt von Olaf Nicolai auf dem Dach des Pavillons, in der Bumerangs produziert werden, die dann geworfen werden, manchmal sieht man einen fliegen, und das ist dann ja auch ein treffendes Bild für die Geschichte der Politik: Es kommt alles meistens zurück, und es ist besser, dass man daran denkt, sonst knallt es einem nämlich gegen den Kopf.