Kunstmesse Cosmoscow in Moskau

Ein zartes Pflänzchen

Die junge Kunstmesse Cosmoscow möchte wohlhabende Russen an internationale zeitgenössische Kunst heranführen – allerdings fehlen noch die westlichen Galerien

Wer dieser Tage durch Moskau fährt, kommt nicht umhin, darüber zu staunen, wie viele neue Museen und Stiftungen für zeitgenössische Kunst hier derzeit gegründet werden. Im vergangenen Jahr hat der Milliardär Roman Abramowitsch gemeinsam mit seiner Frau Darja Schukowa im Gorki Park ein Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet: Das Garage Museum of Contemporary Art befindet sich in einem ehemaligen Restaurant, das von Rem Koolhaas mit einer doppelten, lichtdurchlässigen Haut aus Polycarbonat verkleidet wurde. In der aktuellen Ausstellung sieht man unter anderem Lucian Freud und Maurizio Cattelan.

Nur zwanzig Minuten Fußweg entfernt, direkt am Ufer der Moskwa, lässt gerade der Milliardär Leonid Michelson ein ehemaliges Stromkraftwerk von Renzo Pianos Workshop zu einem Kulturzentrum umbauen. Die V.A.C. Foundation soll im Frühling 2019 eröffnen.

"Der russische Kunstmarkt ist spannend", ist Julia Niebuhr, zuständig für die Akquise internationaler Galerien bei der Cosmoscow, überzeugt, nicht nur wegen der superreichen Oligarchen. "Es gibt eine wachsende Schicht von wohlhabenden 25- bis 45-Jährigen, die gut verdienen und gerne beginnen möchten, Kunst zu sammeln. Die dafür aber auch nicht unbedingt selbstverständlich nach London, Paris oder Miami jetten."

Genau diese Zielgruppe soll die junge Kunstmesse Cosmoscow ansprechen, die in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindet. Die Gründerin und Direktorin Margarita Puschkina hat sich zwei ehrgeizige Ziele gesetzt: Zum einen möchte sie die Künstler, Galeristen und Sammler in Russland stärker vernetzen. Zum anderen will sie internationale Händler nach Moskau holen, um das heimische Publikum an internationale zeitgenössische Kunst heranzuführen.

Um diese Mission zu erfüllen, scheint sie auf eine klare Strategie zu setzen: Glamouröses Ambiente, niedrige Verkaufspreise, so lautet offenbar das Rezept der Veranstaltung.

Das VIP-Programm ist umfangreich: Private Empfänge wie etwa der vom Sammlerpaar Alexander und Osaka Taranov oder der von der auf Pop-Art spezialisierten Popov-Collection gehören ebenso dazu wie eine Balkenhol-Vernissage im Moscow Museum of Modern Art. Für das reguläre Publikum gibt es kostenlose Führungen.

Selbstverständlich ist auch der Ort der Messe stilvoll gewählt: Kein Zweckbau am Stadtrand, sondern das angesagte Veranstaltungszentrum Gostiny Dvor – eine historische Markthalle nahe des Roten Platzes mit neoklassizistischen Säulengängen, prachtvoller Freitreppe und einem riesigen gewölbten Glasdach. Zum Eröffnungsabend gibt es elektronische Musik und Rosmarin-Cocktails, der Altersdurchschnitt des Publikums mag bei 35 Jahren liegen: Elegant gekleidete, perfekt geschminkte junge Frauen auf halsbrecherischen High-Heels und junge Männer im Anzug flanieren interessiert zwischen den 38 weiß gestrichenen Kojen umher.

Die Preise muten für westliche Verhältnisse überraschend niedrig an. Um neue Interessenten behutsam an das Sammeln heranzuführen, scheinen viele Galerien vor allem auf dekorative Arbeiten junger Künstler zu setzen, die bereits für 1.000 bis 5.000 Euro zu haben sind und sich im Zweifel auch im Wohnzimmer gut machen – so etwa die minimalistischen Meeresfotografien Stephan Crasneansckis (25 KD Gallery).

Doch gibt auch spannende Positionen, die über hübsches Handwerk hinausgehen. So zeigt die Moskauer Galerie Shaltai Editions unter anderem Multimedia-Arbeiten des 1968 geborenen Künstlers Aristarkh Chernyshew, der 2000 bis 2004 das Media Lab am National Center for Contemporary Arts leitete. Zum Verkauf stehen ein 3-D-Stilleben nach Pieter Claesz und poppige Kühlschrankmagneten für umgerechnet zehnEuro das Stück. "Editionen sind in Russland bisher noch nicht so populär", erklärt eine Mitarbeiterin, "aber wir möchten sie gerne promoten, weil sie sich jeder leisten kann."

Die Moskauer Glaz Gallery stellt großformatige Fotografien von Fedor Savintsev aus. Die Bilder des 1982 geborenen Fotografen erinnern stilistisch an Andreas Gursky, nur eben mit russischem Touch: So zeigt seine 120 mal 180 Zentimeter große Arbeit "Häuser" eine Luftaufnahme von gut sechzig schneebedeckten Datschas im Winter (3.500 Euro).

Die ebenfalls in Moskau ansässige Galerie Iragui präsentiert Knit-Art der 1974 geborenen Olga Bozhko, die eigentlich typisch männlich besetzte Graffiti-Schriftzüge in Wandteppiche übersetzt (3.000- 4.000 Euro). "Das ist was wir haben" lautet der Titel einer ihrer Arbeiten – eine typisch russische Redewendung in blau-weiß-roten kyrillischen Lettern, von der unklar bleibt, ob sie positiv oder negativ gemeint ist.

Mut zur Tagespolitik zeigt die White Space Gallery aus London: Sie präsentiert unter anderen aktuelle Aufnahmen des litauischen Fotografen Arturas Morozovas aus der Ukraine. Als freier Dokumentarfotograf ist er sowohl für russische als auch ukrainische Medien im Donbass unterwegs, um den Alltag dort zu beschreiben – seine Bilder zeigen unter anderem ukrainische Frauen, die zu Hause Tarnanzüge für die Soldaten nähen.

Noch ist die Cosmoscow ein Heimspiel für die Moskauer Szene. Die meisten Besucher sprechen Russisch, 25 der 38 Kojen werden in diesem Jahr von lokalen Galerien aus der Hauptstadt bespielt, lediglich sieben Aussteller kommen aus dem Ausland. "Wir bemühen uns sehr, die westlichen Galerien zu überzeugen und sie mit den Charakteristiken des Marktes vertraut zu machen", so Julia Niebuhr. "Die meisten können den russischen Markt allerdings nicht gut einschätzen und scheuen sich derzeit vor einer Investition hier – gerade angesichts des ohnehin vollen Messekalenders." Auch die politische und wirtschaftliche Großwetterlage helfe nicht gerade, die Messe im Westen zu bewerben.

Dennoch: Die Stimmung vor Ort ist optimistisch. Besonders Galerien, die bereits viel mit russischen Sammlern zu tun haben wie die Antwerpener NK Galerie, zu deren Kunden unter anderem Vladimir Cardon de Lichtbuer zählt, sehen in der Messe eine spannende Plattform: "Russische Sammler mögen gute Malerei und klassische Technik – genau wie Belgier. Wir versuchen darum russische Künstler in Belgien bekannt zu machen und belgische Künstler in Russland", erklärt Direktorin Nadya Kotova. Da passe die Cosmoscow gut ins Konzept.

Eine junge Galeristin aus Tiflis, die in diesem Jahr das erste Mal dabei ist, sieht in der Messe eine große Chance für den Kunstmarkt in den Staaten der ehemaligen UdSSR. "In Georgien gibt es bisher gar keine internationale Plattform für zeitgenössische Kunst."

Und Galina Leontieva, Mitarbeiterin der Marina Gisich Galerie aus Sankt Petersburg, sieht im russischen Kunstmarkt ein großes Potenzial. "Unsere Galerie wurde 2000 gegründet. Von 2005 bis 2010 haben wir uns ausschließlich auf internationale Messen konzentriert, wir waren auf der Arco und auf der Vienna Fair. Doch inzwischen gibt es eine neue Generation von russischen Sammlern, und fast 40 Prozent unserer Kunden sind Russen. Darum versuchen wir gerade, uns immer mehr auf den heimischen Markt zu konzentrieren."