Elon Musk hat seit seiner Übernahme von Twitter schon länger angedeutet, dass er das soziale Netzwerk in "X" umbenennen möchte. Nun hat er endgültig den blauen Vogel abgeschossen. "Larry the Bird", benannt nach der Basketballlegende Larry Bird, gehört für immer der Vergangenheit an, und auch an der Firmenzentrale in San Francisco wurde der Twitter-Schriftzug bereits abgebaut.
Die Community reagiert mit Ratlosigkeit bis Entsetzen. Denn Twitter hatte sich im alltäglichen Sprachgebrauch fest verankert. Selbst in der "Tagesschau" wurde berichtet, wenn Politker:innen twitterten. Nun soll, wenn es nach Musk geht, von "x-en" die Rede sein. Ich stelle mir Susanne Daubner vor, wie sie verlautbart: "CDU-Chef Friedrich Merz x-te am gestrigen Abend, dass er seine Partei bis zum Ende des Jahres auflösen wird." Oder man nun von X-Freunden sprechen muss oder mal eben noch ein X absetzen möchte oder ein Thema auf X steil geht.
Elon Musk verbindet mit der Domain X.com eine lange Geschichte. Bereits 1999 gründete er mit Ed Ho, Harris Fricker und Christopher Payne den Online-Finanzdienstleister X.com, der später in PayPal umbenannt wurde. 2017 erwarb Musk die Rechte an der Domain zurück. Es sollen vor allem emotionale und sentimentale Aspekte dabei eine Rolle gespielt haben.
Die Liebe zu X und zum den 90ern
Da Musk plant, aus dem ehemaligen Twitter eine Super-App im Stile von WeChat in China zu entwickeln, bei der vor allem Finanzdienstleistungen wie bargeldloses Bezahlen eine wichtige Rolle spielen, scheint sich ein Kreis zu schließen. In der Tech-Branche gilt schon länger: Persönliche Daten, die über soziale Medien gespeichert werden sind wertvoll, noch mehr Macht haben aber jene, die über sämtliche Informationen zu Geldflüssen einzelner verfügen.
Musk hegt in der Tat eine große Leidenschaft für den Buchstaben X. Seine Raumfahrtorganisation nennt sich SpaceX, ein Auto von Tesla heißt Model X. Der 2020 geborene Sohn (eines von insgesamt neun Kindern), den die Sängerin Grimes auf die Welt brachte, trägt den Namen X Æ A-12. Darüberhinaus wurde kürzlich eine KI-Firma mit dem Namen X.ai gegründet und im April bereits wurde das Mutterunternehmen Twitter Inc. in X Corp. umbenannt.
In den 1990er-Jahren und bis Anfang des Jahrtausends war der Buchstabe X in der Tat ziemlich trendy. Die Ära wurde geprägt von der Generation X. Es erschien die Konsole Xbox, es gibt seitdem den Extremsportwettbewerb X-Games, der Rapper Xzibit flexte mit seinem Hit "X", es gab Vercoolungen wie die von Kreuzberg in X-Berg und hippe Streetwear-Marken wie XLarge. Im Post-Punk-Musikgenre Hardcore malten sich Menschen ein schwarzes "X" auf die Hand, um ihre Zugehörigkeit zur Straight-Edge-Szene deutlich zu machen.
Ich erinnere auch unzählige schwarze Baseball-Kappen mit einem großen X drauf, das auf Malcolm X verwies. Dazu gab es TV-Sendungen wie "X-Factor" mit Jonathan Frakes und nicht zu vergessen "The X-Files" (deutscher Titel: "Akte X"). Popkulturell ist wohl kein Buchstabe so stark aufgeladen wie das X. Es suggeriert Coolness, etwas Mysteriöses und wenn man an die Comic-Helden X-Men denkt, auch Übermenschliches. Nicht zuletzt steht das X beziehungsweise XXX für Pornografie und Sex. Vielleicht wirkt es heute auch deshalb ein bisschen abgeranzt, weil schlichtweg zu breitgetreten.
Lex Luthor lässt grüßen
Markenbildung per möglichst einfachem Namen mit Universalitätsanspruch hat Konjunktur bei Megaunternehmen. Nicht immer erfolgreich. Google benannte sein Mutterschiff vor Jahren schon in Alphabet um und bis heute will es nicht einfach über die Lippen gehen. Auch Facebook, das sich in Meta umbenannte, zählt dazu. Für das neue Twitter könnte es ebenfalls schwierig werden, zumal Markenrechtler davon ausgehen, dass Musks X mit Klagen überschwemmt werden könnte. Ist halt auch nicht sonderlich kreativ.
Es gibt unter anderem ein erfolgreiches Videospiel mit dem Namen "XCOM", auch Microsoft trägt Rechte an dem Namen. Die japanische Rockband X Japan verwies ebenso darauf, dass sie die Namensrechte besäßen, und auch die Umbenennung von "Twitter Videos" in "X Videos" könnte schwierig werden, gibt es doch schon eine recht große Pornoseite mit selbem Namen. Es könnten eventuell aber auch nur kleine Stolpersteinchen sein, wenn Musk weiterhin einfach alles wegkauft, was sich ihm in den Weg stellt. Die läppischen 44 Milliarden Dollar für Twitter waren ihm ja auch nicht zu viel.
Eines muss man Elon Musk durchaus lassen: Geht es um Entscheidungen, fackelt er nicht lange. Das Rebranding von Twitter in X wirkt aber jetzt schon so, als wäre es keine einfache, schnelle und vor allem konsistente Angelegenheit. Es bleibt spannend zu sehen, welche Überraschungen Musk für die Zukunft noch in seinem goldenen Hut parat hat.
Analogien zu fiktionalen Comic-Milliardären wie Tony Stark (Iron Man) und Bruce Wayne (Batman) werden immer wieder gezogen. Der Name X Corp. erinnert unterdessen eher an LexCorp, dem Firmenkonglomerat des Superman-Erzfeindes Lex Luthor. LexCorp betreibt unter anderem Unternehmen in den Bereichen Technologie, Luftfahrt, Roboter, Medien, Kommunikation, Satelliten, Finanzdienstleistungen, Computer und Transport. Kommt doch bekannt vor. Im Comic wird Lex Luthor sogar Präsident der Vereinigten Staaten, verliert in Folge dessen aber Reichtum und Vermögen und landet sogar im Gefängnis. LexCorp wird zerschlagen und in Tranchen verkauft, unter anderem an Wayne Enterprises.