Steigende Mieten, gekürzte Subventionen und dazu immer wieder Meldungen von vorsichtigem Kaufverhalten - die Lage für viele Akteure der Kunstwelt ist angespannt. Da kann es umso schöner sein zu sehen, dass auch Neues entsteht - wie gerade am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Direkt gegenüber der Volksbühne eröffnete Anfang des Monats die Galerie Gegen & Lücke.
Die noch bis Samstag, 29. März, laufende Debütausstellung ist bunt und vielfältig, reicht von poppiger Figuration über abstraktere und collagierte Arbeiten bis zu Skulpturen aus Stein, Metall und Zucker. Doch nicht nur die Kunst ist interessant, sondern auch das Unternehmen dahinter. Unter der Führung von Direktor Merwin Lüdicke ist die Galerie der neueste Zweig des Unternehmens Culterim. Es wurde 2021 von Dennis Gegenfurtner mit der Idee gegründet, leerstehende Immobilien als Studios an Kunstschaffende zu vermieten. Neben der Bereitstellung von physischen Räumen stehen laut Gegenfurtner der "Community-Aspekt" und die Förderung von jungen Kunstschaffenden im Mittelpunkt - woraus sich seit der Gründung fünf Handlungsfelder entwickelt haben.
Die wirtschaftliche Säule des Unternehmens bildet die Vermietung von Studioflächen. Neun Häuser werden zurzeit in Berlin betrieben. Nach Angaben der Gründer ist der Andrang groß. Die Preise variieren abhängig von Objekt, Lage und Verfügbarkeit, was es für Studierende oder Anfänger ebenso attraktiv mache wie für Künstler und Künstlerinnen im fortgeschrittenen Stadium ihrer Karriere. Zudem gibt es mittlerweile auch erste langfristige Projekte, also keine Zwischennutzungen mit Ablaufdatum. Räume in Leipzig und München sollen bald folgen.
Dass es dem Unternehmen um die Förderung der Kunstszene geht, zeigen die weiteren Angebote von Culterim: Sie werden ohne Profit betrieben, alle anfallenden Gebühren dienen der Unkostendeckung. Hierunter fallen einmal die Vermietung von Ausstellungsflächen, hauptsächlich leerstehende Einzelhandelsflächen wie beispielsweise ein ehemaliger Rossmann-Drogeriemarkt, ein Handyladen und ein Backshop in einem Einkaufscenter direkt am Gesundbrunnen im Berliner Stadtteil Wedding. Letzterer ist schon für 25 Euro am Tag zu mieten. Weitere Angebote gibt es in den Bezirken Charlottenburg und im Prenzlauer Berg. Im April eröffnen weitere Ausstellungsflächen und Studios im ehemaligen Kaufhaus C&A direkt neben dem Rathaus Neukölln.
Auch Orte außerhalb der Stadt werden nutzbar gemacht. In den Sommermonaten bietet Culterim Aufenthaltsstipendien an, inklusive künstlerischem Mentoring. So wird beispielsweise ein alter Gutshof in Brandenburg seit drei Jahren zur Sommerresidenz einer Gruppe von Kunstschaffenden. Was sich luxuriös anhört, ist in Wahrheit ein eher spartanisches Refugium. Die malerische Umgebung, die entstehende Gemeinschaft und erschwinglichen Preise machen das Angebot trotzdem bei Teilnehmenden beliebt.
Mentoring und die Förderung künstlerischer Anfänge sind ein wichtiger Teil des Unternehmens. Im Januar startete zusätzlich die "Independent Class", ein Programm, das die Teilnehmenden in einer kleinen Gruppe an die Kunstwelt Berlins heranführen soll: mit Ausstellungs- und Studiobesuchen, kunsttheoretischen Inhalten und praktischen Tipps für das Leben als freischaffender Künstler oder Künstlerin. Culterim übernimmt am Ende außerdem die Organisation von Ausstellungen aller Teilnehmenden und organisiert regelmäßig Atelier-Schauen, auf die sich alle Mieter und Mieterinnen bewerben können.
Eine solche Mischung aus marktwirtschaftlichem und gemeinnützigem Handeln ist selten. "Für mich war der schlimmste Gedanke, dass ich mir etwas aufbaue, das mein Baby ist, wo mein Herzblut drin steckt, und dann entscheidet irgendjemand, dass ich nicht mehr das Geld dafür bekomme", sagt Gründer Gegenfurtner.
Mit der Eröffnung von Gegen & Lücke erweitert sich das Ökosystem Culterim nun auch in den kommerziellen Kunstmarkt mit der offiziellen Vertretung von sieben jungen Positionen aus Malerei und Skulptur: Anna Zachariades, Björn Heyn, Elisa Breyer, Esther Grüne, Fabian Hub, Kevin Lüdicke und Lars Fischer. Auch hier zeigt sich der gemeinschaftsgetriebene Aspekt. Laut Direktor Merwin Lüdicke verbindet die Galerie mit allen Künstlerinnen und Künstlern eine lange Zusammenarbeit, viele haben schon in anderem Kontext bei Culterim ausgestellt, sind Personen, "zu denen wir Zugang haben, gegenseitiges Vertrauen besteht und die dementsprechend gut von uns vermittelt werden können".