Vienna Contemporary

Highlights der Wiener Kunstmesse

Kunstwerke und Kojen: Das sind unsere Highlights zur Kunstmesse Vienna Contemporary

Nana Mandl bei Lisa Kandlhofer
An dem Stand der jungen Wiener Galerie kommt in der Zone 1 niemand vorbei. Nana Mandl (*1991 in Graz) bringt Fragmente aus Facebook-Feeds, Zitate aus Chats und allerlei Fundstücke aus dem Internet auf die Leinwand, als Collagen aus Malereimix und akribischer Handarbeit. Unter der superhippen 90er-Jahre-Farbverlauf-Ästhetik steckt eine tiefsitzende Schwermut, die sich in Textzeilen wie "Don’t you ever stop loving me" äußert. Doch bevor es ins Kitschige kippt, setzt sie mit den Titeln einen Schlag Leichtigkeit dagegen. "Don’t even think about it" kommentiert der Titel die vorherige Textzeile. Mit Preisen ab 300 Euro für eine Leinwand im Taschenbuchformat durchaus Potenzial zur Einstiegsdroge. 

 

An die Bar zu Croy Nielsen
Unter dem Namen "Explorations" zeigt die Messe dieses Jahr acht kuratierte Standpräsentationen von ausgewählten Galerien, konzipiert von Nadim Samman. Der lose rote Faden ist "die unruhige Stimmung des Jahres 2018". Bei Croy Nielsen gibt es darauf erstmal einen Drink: Statt klassischem Messestand-Mobiliar sitzt der Galerist hinter einem originalen und reich verzierten Barmöbel samt Hocker und Gläserregal, an der Wand grüßen Nina Beiers Coffee-To-Go-Becher wie Winkekatzen und Ben Schumacher hat als Untergrund für seine Zeichnungen Quadrate aus 3 x 3 Bierdeckeln genutzt. Zum Wohl!

Saure Gurken von Pawel Ferus bei balzer projects 
Saure Gurken im Glas, die in neongelbem Wasser schwimmen, dazu das krakelige Bild einer Zigarette mit der Überschrift "West", und dann lugt der Meister auch noch versteckt aus einer Nische an der Wand als Büste, als wollte er begutachten, was der Nachwuchs so treibt: Der Geist von Franz West ist nicht weit am Solo-Stand von Pawel Ferus bei balzer projects. Ferus, der als Teenager mit seiner Familie aus Polen in die Schweiz kam und immer noch dort lebt, spielt mit Klischees und Identitätsfragen diesseits und jenseits des eisigen eisernen Vorhangs. Dass es neben dem Weißwurstäquator, der Deutschland in Nord und Süd teilt, auch einen Salzgurkenmeridian gibt, der sich von Berlin nach Wien durch Osteuropa und Russland zieht. Östlich werden die Gurken in Salz eingelegt und sind wie in Ferus’ Heimat ein Nationalgericht, westlich bleibt man dem Essig treu. Noch mehr Referenzspiele stecken in seinen minimalistischen Betonblöcken, in die er Unterhosen eingegossen hat: Der Frauenkörper, "Femme de Venice Beach", nur bekleidet im Bikinioberteil der gleichnamigen Marke, als postmoderne Übersetzung von Giacomettis "Femme de Venise"?

Ungarische Op-Art bei acb Hungary
Auch unter "Exploration" läuft der Stand der Budapester Galerie, der vier Künstler der ungarischen Neo-Avantgarde zusammenbringt: Ferenc Lantos, István Gellér, Károly Hopp-Halász und Sándor Pinczehelyi, der einzige der vier, der noch lebt. Der Mittelpunkt ihres Schaffens war Pécs, nicht zufällig die Geburtsstadt von Marcel Breuer und auch Victor Vasarely. In den progressiven geometrischen Abstraktionen der Gruppe verflechten sich Op-Art und Bauhaus, im Bestreben der Künstler, natürliche und folkloristische Motive auf abstrakte Formen, ob als emaillierte Kacheln oder Tafelbilder, zu reduzieren. Ein blinder Fleck der Kunstgeschichte, der in Zukunft dank Präsentationen wie dieser verkleinert werden kann. 

 

Thilo Jenssens Oberflächen bei Christine König
Was unter der Oberfläche passiert, spielt bei Thilo Jenssen (Jahrgang 1984) nur die Nebenrolle. Seine sleeken, aber gleichzeitig unperfekten hochglänzenden Bilder und Objekte verraten nicht, woraus sie gemacht sind. Emaille? Lack? Kunststoff? Jenssen beschreibt die "Finish Fetish"-Bewegung der 1960er Jahre aus Los Angeles als eine seiner Inspirationsquellen, deren Anhänger industrielle Materialien, zum Beispiel aus der Autoproduktion dazu verwendeten, die kalifornische Kultur darzustellen. Einen Fetish für Oberflächen kann man bei Jenssen durchaus erahnen, nur dass es überhaupt nicht um das Perfekte geht, sondern um Assoziationen zum äußeren Schein im übergeordneten Sinne geht, seien es getunte Autos, Fingernägel oder Haut. 

Kriwet im Kreis lesen bei Georg Kargl 
Wenn das Gehirn nach einer Runde über die Messe keine Bilder mehr verarbeiten kann, lohnt sich eine Pause für die Augen am Stand von Kargl. Kriwets wunderbar reduzierte im Kreis geschriebene Schriftbilder eignen sich besonders dazu. Ganz so leicht ist es mit der Seh-Pause dabei allerdings doch nicht, denn quasi automatisch fängt man an, zu entziffern, Buchstaben zu Wörtern kombinieren zu wollen und zu lesen. Aus Merkur wird Uranus, der in Saturn übergeht, und so weiter. Hat man eine Runde geschafft, fühlt es sich fast wie eine Belohnung an, auch wenn das große Ganze dann doch keinen Text oder gar einen bestimmten Sinn ergeben will. Aber wer sagt denn, dass es das muss.

Minimal is more bei Jecza Gallery
Bei der rumänischen Galerie treffen zwei Künstlergenerationen aufeinander, oder vielmehr in ein Zwiegespräch miteinander. Genau 50 Jahre Altersunterschied trennen Roman Cotosman (*1935) und Mircea Popescu (*1985), doch im Kern ihrer künstlerischen Arbeit sind sie sich sehr nahe. Beiden steckt der Konstruktivismus tief im Bewusstsein, beide arbeiten mit Drucktechniken und den Möglichkeiten, deren abgesteckte Grenzen zu überschreiten. Cotosman, dem als Teilnehmer der "Biennale Konstruktivistischer Kunst" in Nürnberg 1969 der Sprung ins Exil nach Deutschland und von dort in die USA gelang, war stets eine künstlerische Vorbildfigur für den jüngeren Popesc, der das künstlerische Erbe seiner Heimat wie er selbst sagt in einen "Pop-Konstruktivismus" weiterführt. Cotosmans reduzierte Druckgrafiken aus den 70er Jahren fallen erst auf den zweiten Blick ins Auge, bleiben dann aber umso mehr hängen.

Sanja Iveovič bei der Telekom Collection
Die Sammlung der Deutschen Telekom hat ihren Schwerpunkt ganz dezidiert auf Kunst aus Ost- und Zentraleuropa gelegt. Auf der Messe hat die Ankaufskommission zugeschlagen, wie man an mehreren Ständen durch die magentafarbenen Plaketten sehen kann. Da passt es also, dass die Sammlung auch selbst mit einem Stand präsent ist und zeigt, was sie hat. Hier hat man Werke von vier Künstlerinnen ausgesucht, die sich alle auf verschiedene Weisen mit dem Frauenbild in der Gesellschaft auseinandersetzen. Besonderer Hingucker: Die großen Fotoprints aus der Serie "Women’s House (Sunglasses)" der kroatischen Künstlerin Sanja Ivekovič sind in enger Zusammenarbeit mit Frauenhäusern entstanden. Auf den glamourösen Werbemotiven für Designer-Sonnenbrillen sind die Erfahrungen der Frauen gedruckt, die der Grund für ihre Zuflucht ins Frauenhaus waren.