Viele Leute denken, meine Kunst stamme von einem Mann. Wenn ich versuche herauszufinden warum, weisen sie darauf hin, wie groß die Werke sind (die Gleichung Größe = Penis = Wert hat schließlich viele Julian-Schnabel-artige Werke hervorgebracht; aber nicht meine). Aber dann verwechseln viele Leute meine Arbeit auch mit Graffiti. Ich würde da also nicht zu viel hineininterpretieren.
Kunst hat kein Gender. Man könnte - wenn man wollte - vielleicht versuchen, zwischen Abstufungen weiblicher und männlicher Energie zu unterscheiden, aber im Ernst ... wozu?
Die Frage, um die es hier geht, hat also mit dem gesellschaftlichen Kontext der Kunst zu tun. Es gab rigidere Epochen, langsamere Zeiten. Heute sind die Verhältnisse flüssig und mehr von einem "Wir lesen auf dem iPad, während wir auf der Toilette sind"-Charakter. Es ist wichtig, dies im Sinn zu behalten.
Ja, ich habe Sexismus erlebt. Mein Lehrer an der Vorbereitungsschule für das Kunststudium (ein archetypisch männlicher Herrschertyp, der exzessiv trank und mit seinen Assistentinnen schlief) warf einmal ein Bier nach mir, als ich 17 war, begleitet von den Worten: "Weißt du, was dein Problem ist? Du kannst einfach nicht kommen." Das zu lernen habe ich mich sehr angestrengt. Danke, Master! Heute lebe ich in LA, und seine Karriere hat nie aus dem Gebäude von damals herausgeführt.
Dann war da noch der große Künstler, dem ich versuchte, meine Kunst zu zeigen, und der mir sagte: "Dein Hintern gefällt mir besser als deine Arbeit." Ein paar Jahre später gratulierte er mir zu meinem Erfolg und bat mich, ihn zum Abendessen einzuladen – verkehrte Rollen?
Und dann natürlich die Reise nach Südkorea, wo die – im Übrigen weibliche – Dolmetscherin sich offenkundig weigerte, meine Projektvorschläge zu übersetzen: Ich war das jüngste Mitglied der Gruppe, weiblich und unverheiratet. Am Ende wurde ich am Flughafen fast verhaftet, weil ich mein Kunstwerk an eine Frau verschenkt hatte, die sich als Prostituierte herausstellte. Die Arbeit wurde dann von der Polizei zurückgeholt, und der Kurator erschien am Flughafen, um mich zu "retten", wobei es ihm irgendwie gelang, mich auch zu begrapschen. Nun gut ... ja, Sexismus ... vielleicht einfach Leute, die ihre Macht missbrauchen.
Ich meine, der Satz: "Männer kommen in der Kunstwelt weit" – ist die Unterscheidung Mann/Frau bei dieser Frage heute noch sinnvoll? Muss man den Schwerpunkt nicht anders setzen? "Dumme, unehrliche, fantasielose Menschen kommen in der Kunstwelt weit." Entscheiden Sie selbst. Aber wir werden darauf zurückkommen.
Eau de Bro – die Mikrofürze des Sexismus
Wenn mein Mann-Galerist sagt, dass er diesen Megatrottel von Künstler-Mann mit auf die Messe nimmt und nicht eine Künstlerin-Frau-mich. Wieder einmal. Verdient? Oder einfach nur Hoden?
Wenn ich zu einer Ausstellung eingeladen werde, die in etwa "Frauen" betitelt ist.
Oder wenn die Sammlerin-Frau von diesem muskulösen Prozess-Maler-Mann schwärmt. (Prozess-Malerei, Teil des großen Abstraktionstrends, man malt nicht, sondern trägt Farbe mittels einer bestimmten Technik auf einen flachen Bildträger auf: Prozess. Die Ergebnisse sind abstrakt und variieren wenig.) "Der Typ ist wirklich heiß!" Ist er das? Mir kam er ziemlich unhöflich vor. Nicht, dass das eine das andere ausschließen würde. Echt jetzt? Echt jetzt? Passiert das gerade wirklich? Muss ich wirklich zu allem anderen auch noch süß sein? Ich sage bewusst süß, nicht "heiß", denn wenn eine Frau sich als heiß vorstellt, landet sie ziemlich schnell in einem völlig anderen ... äh ... Ballspiel. Ich habe immer das Gefühl, ich werde hässlicher, wenn ich an einer Ausstellung arbeite. Aber keine Sorge. Ich reiße mich für den großen Tag dann immer zusammen.
Oder wenn eine Kunstberater-Frau die Inkompetenz eines Künstler-Manns mit einem kleinen Lachen wegwischt. "Du hättest es sehen sollen ... es war so dümmlich", sagt sie bewundernd. Oh, es war dümmlich?! Ja und? Es ist, als müssten Männer nichts weiter tun, als sich dümmlich zu verhalten, und bingo! Ziel erreicht. Und da beschweren sich die Künstler-Frauen; die Messlatte für die armen Künstler-Männer ist sogar noch niedriger gehängt. Sie können entweder der Böse, der Trottel oder der Muskel sein.
Letztens besuchte ich die Solo-Ausstellung eines jungen Künstlers, der sein Talent sehr dünn verteilt hatte, um die riesige Immobilie auszufüllen, die sich die David Kordansky Gallery in Los Angeles nennt. In der Pressemitteilung hieß es: "Er macht seine Arbeiten aus dem einfachsten Material, das es gibt: sich selbst." (Irgendjemand sollte den Autor rausschmeißen!)
Eau de Bro.
Kein Wunder, dass er seine Kleider in die Reinigung geben musste.
"Was für ein Problem hast du mit dem Feminismus, wie er heute praktiziert wird?"
… stand neulich auf Diskussionszetteln auf dem Tisch in der Lace Galerie in LA. Anlässlich einer Ausstellung hatte die Galerie zu einem offenen Round Table zum Thema Feminismus eingeladen. Ich nahm genau die fünf Minuten lang an der Runde teil, die die Teilnehmer brauchten, um zu sagen, dass sie bei der kommenden US-Präsidentschaftswahl den Demokraten Bernie Sanders nicht unterstützen könnten, weil er im Vergleich zu seiner Parteikollegin Hillary Clinton nicht etabliert genug sei. Die Veranstaltung war Teil der von Micol Hebron organisierten Ausstellung "(En)Gendered (In)Equity: The Gallery Tally Poster Project". Interessante Ausstellung – unglücklicher Titel.
Danke, dass Sie gefragt haben.
Wenn Rüpelei als natürlich gilt
Genau wie Dummheit wird Rüpelei häufig als gegebener Teil der männlichen Natur gerechtfertigt. Männer nehmen sich Dinge einfach, das liegt in ihrer DNA, sie brauchen Platz, ganz selbstverständlich, ohne sich entschuldigen zu müssen. Ich glaube, das war es, was der alte Baselitz in seinem berühmten Interview mit dem "Spiegel" zu sagen versuchte ("Frauen können einfach nicht sehr gut malen!"). Als ich darüber mit einer Kollegin diskutierte, meinte sie, aus diesem Grund müssten Frauen zusammenhalten. Wir befanden uns gerade bei einer Benefizaktion für "Joan“, einen kuratorischen Versuch, an dem nur Frauen beteiligt waren. An dieser Denkweise ist also sicher etwas dran. Dennoch ... ich frage mich, ob das wirklich die Lösung ist oder – besser gesagt – ob ich das Problem wirklich so sehen will.
Reißen Männer wirklich die Dinge an sich, oder überreichen wir sie ihnen? Angenommen, es geht darum, eine Galerie zu finden/Sammler zu treffen/ein (Rock-)Star zu werden: Männer helfen Männern weiterzukommen; homosexuelle Männer helfen Männern; und – wissen Sie was?! – auch Frauen helfen Männern. Aber wer hilft den Frauen? Manchmal denke ich, Frauen helfen nicht einmal sich selbst.
Alte Vagina ist das neue Schwarz
Die Gründe dafür, warum Galeristen scharf darauf sind, ältere "unentdeckte" Künstler und Künstlerinnen zu vermarkten, liegen auf der Hand. Es gibt einen großen, unerschlossenen Bestand an Werken, der Jahrzehnte überspannt. Das erleichtert den Zugang zu Museumsausstellungen sehr. Und eröffnet daher größere Chancen, schneller mehr Gewinn zu machen als mit einem jüngeren Künstler, den man tatsächlich noch unterstützen und während seiner Zur-Hölle-mit-allem-ich-habe-jetzt-Geld-lasst-uns-feiern-Jahre aushalten muss. Und natürlich besteht eine deutlich geringere Gefahr, dass der Künstler oder die Künstlerin sich als Eintagsfliege herausstellt. Der Grund, warum diese älteren Kunst-schaffenden meist Frauen sind, ist auch offensichtlich. Weil so viele von ihnen keine Karriere gemacht haben. Warum dieser Trend aber als progressiv gehandelt wird oder als "Gewinn" für den Feminismus, ist mir ein Rätsel.
Reine Frauen-Ausstellungen/Frauenthemen in Zeitschriften
Solche Veranstaltungen isolieren das weibliche Element, als wäre es eine seltene ansteckende Krankheit von einem anderen Planeten. Das Kuratieren einer Kunstausstellung allein auf der Basis des Geschlechts der Beteiligten ist im besten Fall so absurd oder so beschränkt, wie eine Ausstellung allein nach dem Medium oder persönlichen Charakteristika zusammenzustellen; Künstler/innen, die Airbrush-Farben benutzen, Künstler/innen mit Grübchen, solche mit brünetter Haarfarbe oder mit nur einer Hand. Im schlechtesten Fall ist eine solche Ausstellung ein Affront.
Dennoch sieht Unterstützung für Künstlerinnen häufig so aus: den Frauen mehr Raum geben, mehr Zeit im Scheinwerferlicht. Das war auch bei der jüngsten und – zugegeben – stilvollen Einweihungsausstellung der Galerie Hauser Wirth & Schimmel in Los Angeles der Fall, die die Geschichte aus der Perspektive von Künstlerinnen betrachtet, die möglicherweise übersehen wurden (und deren Nachlass die Galerie vertritt). Eine bewundernswerte Sache, werden Sie sagen.
Was ich daran nicht mag, ist die Vorstellung, dass Künstlerinnen immer noch Schutz brauchen. Weibliche Kunst (was immer das ist) braucht immer noch einen sicheren Raum, denn wenn man die Arbeiten der Künstlerinnen – Gott behüte! – zusammen mit den Werken von Männern zeigen würde, würden sie den Vergleich nicht bestehen. Oder umgekehrt natürlich.
Diese Vorgehensweise könnte (und auch da bin ich mir nicht sicher) in Berufen notwendig sein, wo sie nicht seit Jahrzehnten schon 50 Prozent ausmachen; Berufe, für die man Frauen wirklich suchen und Bewerberinnen ermutigen muss. Ein befreundeter Filmproduzent war vor Kurzem geschockt, als eine junge Regisseurin, mit der er zusammenarbeitete, forderte, dass die gesamte Filmcrew für ihren Film mit Frauen besetzt sein solle. Wenn er die Karte richtig spielt, ist das übrigens exzellente PR.
Im Bereich der Kunstberufe dagegen muss man sich schon sehr anstrengen, um Frauen zu ignorieren – mittlerweile sind sie überall, in den Führungspositionen, als Kuratorinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen, selbst Galeristinnen. Und dennoch geschieht absurderweise genau das – Frauen werden zum größten Teil ignoriert.
Die Trump-Masche
Und die Mainstream-Medien spielen dabei eine wichtige Rolle. Ich weiß wirklich nicht, wie viele Titelseiten mit weißer männlicher Kunst das Kunstmagazin "Modern Painters" noch veröffentlichen und trotzdem den Anschein erwecken kann, aktuell zu sein. Das Gleiche gilt für dich, liebe Monopol! Eine Frauen-Ausgabe jeden März zum Tag der Frau macht noch kein innovatives Magazin. Wir posten, was wir sehen, und wir sehen, was wir posten. Das nächste Mal, wenn Sie (ja Sie, liebe Leserin oder lieber Leser!) irgendwelche pedantischen Werke von großen Namen auf Instagram stellen, fragen Sie sich bitte vorher: Ist das wirklich etwas Neues? Ist das wirklich etwas, das es wert ist, veröffentlicht zu werden, oder recycle ich nur blind tradierte Werturteile mit der vagen Hoffnung, dass sie auf mich abfärben (= Ich war da)? Das ist die Trump-Nummer: mit der Aufmerksamkeit schwimmen.
Auf der anderen Seite sind da noch Artikel, wie 2015 die – sicherlich gut gemeinte – Story des "New York Times Style Magazine", die eine Auswahl von 70- bis 99-jährigen Künstlerinnen vorstellte – mit der Überschrift: "Works in Progress". Unter den Arbeiten der inzwischen sehr hippen 101-jährigen, aus Kuba stammenden US-Künstlerin Carmen Herrera steht: "Einhundert Jahre standhaft geblieben". Ich frage mich, wie sie sich fühlt, wenn sie so etwas liest. Wahrscheinlich schert sie sich nicht darum; aber mich macht es wütend. "Works in Progress"??! Argh ... falls ich einmal 90 bin und irgendwelche herablassenden Idioten mich "entdecken", nur um mich dann unvollendet zu nennen und für mein Durchhaltevermögen zu loben, werde ich ihnen ins Gesicht treten – das schwöre ich.
Es ist ein Jungsklub – nichts weiter
Wenn ich solche Themen anspreche, werden sie häufig mit fatalistischen Kommentaren wie "Es ist eben ein Jungsklub" oder "Jungs bleiben Jungs" unter den Teppich gekehrt. Wieder werden Dummheit und Vulgarität mit einem Achselzucken als gegebene männliche Eigenschaft hingenommen, etwas, das im Übrigen unfair gegenüber Frauen und Männern ist. Als wäre es irgendwie sexy. Das ist es nicht. Akkurater wäre: "Es ist ein Kindergarten für widerwärtige, bierbäuchige Männer" oder "Widerwärtige, bierbäuchige Männer bleiben widerwärtige, bierbäuchige Männer".
Ich meine ... ganz ehrlich? Auch ich mag gelegentlich einen glamourösen Hollywoodfilm mit Rat-Pack-mäßigen schicken Typen in Kostümen und all das; aber diese Art des Denkens ist älter als Carmen Herreras Leinwände. Die Zeiten haben sich verändert. Die Medien, die Gesetzgebung zu Ehe, Reproduktion, Adoption in vielen Ländern und vor allem die Erzählungen unserer Kultur, mit denen wir alle sozialisiert werden, müssen dringend auf den neuesten Stand gebracht werden. Und dazu sind Künstler da. Das ist unsere Rolle. Unsere Kinder müssen mit anderen Märchen, anderen Erzählungen aufwachsen. Wir brauchen auch Heldinnen. Und zwar keine einer männlichen Fantasie entsprungenen Heldinnen, keine Frauen-in-Männerrollen-Heldinnen, sondern Heldinnen, weibliche Geschichten. Wie viele "The Revenant"-Filme, in denen es sich wiederfindet, kann ein Mädchen sich angucken? Keinen. Es kommen harte Zeiten für den privilegierten weißen Mann, ich sag's euch, aber ... tja.