"Fantasiemuskel"-Podcast #43

Durch Hybrid Art Komplexität verstehen – mit Regine Rapp

Fantasiemuskel_Regine_Rapp
Foto: Martin Weinhold / Illustration: Monopol

Regine Rapp ist eigentlich Kunsthistorikerin, beschäftigt sich aber auch mit Biologie. Warum? "Wir müssen die Perspektiven weiten, um unsere komplexe Gegenwart besser zu verstehen", erklärt sie in der aktuellen Ausgabe vom Monopol-Podcast "Fantasiemuskel"

Plattform für Regine Rapps Aktivitäten ist das 2006 als Kunstverein gegründete Art Laboratory Berlin, das sie gemeinsam mit Christian de Lutz leitet. Das Kunstlabor hat sich der jungen Disziplin der Hybrid Art, also der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie verschrieben und unterstützt Künstlerinnen und Künstler, "die sich einmischen in aktuelle naturwissenschaftliche Forschungsfelder" wie etwa Mikrobiologie oder Biotechnologie – und dazu nicht nur im Atelier, sondern auch im Labor arbeiten. 

Dort schauen sie den Naturwissenschaftlerinnen nicht nur über die Schultern, sondern forschen selber. Und das Spannende sei, so Rapp, dass die Kunst Fragen stellt, die Wissenschaftlerinnen sich häufig nicht stellen würden, und so tatsächlich ganz neue Forschungsperspektiven einbringen kann. So entstehen Kunstprojekte, die mit aktueller naturwissenschaftlicher Forschung in Dialog treten und deren komplexe Welt fachlich und ästhetisch herausfordern.

Dabei geht es nicht um Wissenschaftskommunikation, sondern um Kunst, die mit dem Leben zu tun hat: Und dafür hat sich Rapp schon zu Schulzeiten interessiert. Ihr gehe es um eine Kunst, die nicht "abstrakt oder abgehoben ist, sondern die Gesellschaft und Leben in Verbindung bringt". Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Arbeit der Künstlerin WhiteFeather Hunter. Sie hat festgestellt, dass sich Menstruationsblut hervorragend für die Stammzellenforschung anbietet, die Nutzung aber aufgrund patriarchaler Strukturen immer noch ein Tabu sei. Und die in Berlin lebende Bio-Art-Künstlerin Theresa Schubert hat herausgefunden, dass Pilze beziehungsweise Pilzmyzel durch Musikbeschallung schneller wachsen.

Komplexität von Welt besser verstehen

Aber eigentlich geht es Rapp nicht um die Optimierung wissenschaftlicher Forschung durch Kunst, sondern sie will mit Kunst auch die Stellung des Menschen auf unserem Planeten hinterfragen. So geht es zum Beispiel im Projekt Nonhuman Subjectivities darum, nicht-menschliche Agentinnen und Agenten kennenzulernen und wertzuschätzen. Und das beginnt, wie Rapp den beiden Podcastern Friedrich vom Borries und Torsten Fremer erklärt, schon beim eigenen Körper: "Mehr als die Hälfte der Zellen unseres Körpers sind nicht-menschliche. Und ohne ein gutes Darmbakterium werden wir nicht glücklich oder könnten wir gar nicht leben."

Und so wird deutlich, dass Regine Rapp durch die künstlerische Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Forschung die Möglichkeit eröffnen will, die Komplexität von Welt besser zu verstehen. "Es geht bei der Hybrid Art wirklich nicht darum, dass Künstlerinnen in die Labore reingehen und dann zurückkommen und ein Bild malen. Hybrid Artists sind keine Science Communicators, sondern sie übernehmen Versuchsanordnungen in ihre Kunst. Und so entstehen Ergebnisse, die die Grenzen von Kunst und Wissenschaft verschwimmen lassen – und neue Sichtweisen ermöglichen." Und sei es nur, dass man seinen eigenen Körper neu versteht.

Sie können "Fantasiemuskel", den Monopol-Podcast über Kunst, Wirtschaft und gesellschaftliche Transformation, auf allen bekannten Plattformen hören – oder die neue Folge direkt hier: