Memes und Macht

Mehr als krude Währungen mit süßen Hunden

Memes sind mehr als virale Netz-Gags. Sie sind Philosophie und bestimmen Diskurse mit - inzwischen auch ökonomische, wie der Fall der GameStop-Aktie und die Achterbahnfahrt der Krytowährungen zeigen

Wie würden Sie einem Menschen aus den 80ern ein Meme erklären? Diese bunten Bilder im Internet. In welchem Internet überhaupt? Und was sind animierte Gifs? Memes sind heute Sprache und Kommunikation, Medium für Kunst und Politik, und in der Tat nicht einfach zu beschreiben. Selbst bei Wikipedia liest sich das so: "Ein Meme (ausgesprochen [miːm], Mehrzahl Memes) ist ein spezieller, kreativ geschaffener Bewusstseinsinhalt, der sich unter Menschen verbreitet. Meist handelt es sich dabei um einen kleinen Medieninhalt, der über das Internet verbreitet wird, wie ein Bild mit einer kurzen prägnanten Aussage. Diese ist in der Regel humoristisch und aufheiternd, manchmal auch satirisch und entsprechend gesellschaftskritisch. Memes sind seit vielen Jahren ein bedeutender Teil der Netzkultur."

Das kann man ruhig so stehen lassen, "kreativ geschaffene Bewusstseinsinhalte" könnten jedoch auch alles andere sein. Memes helfen nicht nur, für guten Humor im Schreibtischalltag zu sorgen, sie sind vielmehr Konzept beziehungsweise Philosophie. Es geht um Partizipation, den durchaus streitbaren Begriff der Demokratisierung, um Dynamiken und Energien, die entstehen, wenn eine Community weltweit digital vernetzt die Diskurse –mittlerweile auch ökonomische – mitbestimmt.

Zu Beginn des Jahres fanden sich auf der Reddit-Community r/wallstreetbets zahlreiche Privatanleger:innen zusammen, um im großen Stil Aktien der angeschlagenen Videospielkette GameStop zu kaufen. Die Aktie stieg daraufhin rasant im Wert. Hedgefonds, die zuvor mit sogenanntem Shortselling auf den Verfall der Aktie gesetzt haben, verloren so eine Menge Geld. Später geschah ähnliches mit der Kinokette AMC und noch heute stehen beide Aktien stabil da. In Finanzfachmedien spricht man gar vom "neuen Gold", weil angeblich so wertstabil.

Die Community hat gezeigt, dass sie Macht hat

Die Geschichten um diese Meme-Stocks zeigen, dass es bei Memes um mehr gehen kann, als einen viralen Netz-Gag. Die Community hat gezeigt, dass sie durchaus Macht aufweisen kann gegen die oft skrupellosen Machenschaften von Großinvestoren und globalen Wachstumsmaximierern. In Börsen-Insiderkreisen wird derweil davor gewarnt, weiterhin gegen AMC oder GameStop "zu shorten". So blöd müsse man ja erstmal sein – fast so, als hätte sich ein großer Wachhund unter Einbrechern rumgesprochen, der nun den Garten bewacht. Der Wachhund sind in diesem Falle die Reddit-Kleinanleger, die teils sogar gutes Geld damit verdient haben. Viele von ihnen spendeten große Summen an gemeinnützige Organisationen.

Den großen Banken und Börsenbrokern gefiel das natürlich nicht. So was müsse man den Experten überlassen. Dabei stets neoliberal predigen, dass doch jede/r Millionär:in werden kann, wenn man nur will. Vorausgesetzt man überlässt Risikominimierung und satte Provisionen den white collars in den elitären Finanzzentren. In Zeiten, in denen lebensnotwendiges Wasser an der Wall Street gehandelt wird, Nahrungsmittel Spekulationsware sind und auch andere Überlebensmittel wie Wohnraum wie heiße Kartoffeln gezockt werden, sind Meme-Ökonomien ein Versuch tatsächlich der Community eine Stimme zu geben, auf jenem Spielfeld mit eben jenen Regeln, die die globale Finanzökonomie die letzten Jahrzehnte in ihrem Profitinteresse hochgezüchtet hat.

Dass Memes derart dynamisch sein können, bedingt aber auch, dass diese schnell kippen, wenn nicht gar manipuliert werden können. Memes sind volatil und haben keine Redaktion, die moderiert und für Qualitätssicherung sorgt. Das ist dieser Zeit auch in der Welt der Kryptowährungen zu sehen. Vor allem Elon Musk jazzte auf Twitter vor Wochen die Meme-Coin Dogecoin hoch. Nebenher hatte Tesla Bitcoins im Wert von 1,5 Milliarden Dollar gekauft, welche zuerst doch und dann doch wieder nicht als Währung für die eigenen Autos galt.

Nicht alle werden Millionäre

Unzählige Musk-Fans investierten ihr Erspartes in die Meme-Währung Dogecoin, einige zu viel. Der Markt war wegen der vieldeutigen Twitter-Trumpismen von Elon Musk hochgradig irritiert, setzte zur satten Talfahrt an und hat sich seither noch immer nicht erholt. Viele Betroffene beschwerten sich bei Elon Musk persönlich auf Twitter, dass Frau und Kinder die treudoofen Ehemänner verlassen hätten, Scheidungsraten hochschnellten, einige gar ihr Haus verloren und "literally homeless" seien.

Viele vermuten Manipulation, weil gerade reiche Investoren den derzeitigen Dip nutzen, um langfristig in Kryptowährungen und Blockchain-Technologien zu investieren. Wie in der anderen Welt auch, stellen wir fest, dass auch in diesem Spiel nicht alle Millionäre werden, sondern viel häufiger nur die whales, die großen reichen Fische wie Elon Musk, die viel sicheres Geld zum Verspielen haben und mit tollen Profiten rausgehen und dabei auch noch den Markt aktiv via Social Media oder mit Auftritten bei "Saturday Night Live" gestalten.

So machte der Londoner Goldman-Sachs-Manager Aziz McMahon mit Dogecoin Millionen und kündigte im Mai daraufhin seinen Job, wusste der "Guardian" zu berichten. Derzeit wird der Markt von Meme-Coins wie Doge, Shiba Inu und Garlicoin auf rund 45 Milliarden Euro kapitalisiert. Das ist viel Geld, das "nur zum Spaß" angelegt wird, zeigt aber auch, dass es wie bei GameStop um mehr gehen kann. Dezentrale Blockchain-Technologien haben in der Tat das Potential monopolistische Bankensysteme in Frage zu stellen und zu revolutionieren.

Für die einen semi-lustige Bilder, für die anderen Teilhabe

Blockchains erforschen CO2-neutrale Technologien, finden Lösungen für ökologischere Videostreams und vereinfachen das Überweisen kleiner Geldsummen ohne hohe Transaktionsprovisionen. Blockchains könnten bald sichere digitale Wahlen ermöglichen und große Firmen wie PayPal und Spotify wollen bereits in naher Zukunft Kryptowährungen als Zahlung akzeptieren. Und selbst der Dinosaurier, der schmutzige Bitcoin soll klimaneutral werden.

In dem Falle hätte das trunken anmutende Stänkern von Musk gegen Bitcoin vielleicht doch was gebracht. Die Welt nicht nur der Meme-Ökonomien sondern auch Blockchains wird zunehmend komplexer. Und sehr wahrscheinlich ist das erst der Anfang. Es wäre daher verkürzt, das Thema nur auf krude Achterbahn-Währungen mit süßen Hunden zu reduzieren. Es ist wie mit den Memes im Allgemeinen. Für die einen sind sie semi-lustige Bilder mit Texten für WhatsApp-Gruppen, für andere sind sie Einladung zur Teilhabe und Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung.