Während die Initiative #Standwithdocumenta gegen die Einschränkung der Kunstfreiheit auf der kommenden Documenta in Kassel kämpft, plädierte der Kasseler Kunstwissenschaftler und Documenta-Kenner Harald Kimpel jüngst in einem Debattenbeitrag im "StadtZeit Kassel Magazin" für ein entschlossenes Ende der Weltkunstausstellung. "Die gegenwärtige Situation ist völlig verfahren", erläutert er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Documenta habe ihr letztes Stadium erreicht. Davor schützten auch die Empfehlungen der Managementberatung nicht. "Ganz im Gegenteil. Es ist ein Ärgernis, dass die Documenta so ratlos dasteht, dass sie eine Beratungsfirma zu brauchen glaubt."
Die empfohlenen Verhaltensnormen repräsentierten all das, was die Documenta sieben Jahrzehnte verachtet habe. "Es wäre niemandem eingefallen, sich selbst oder anderen Regeln aufzuerlegen." Die strikte Trennung von Geschäftsführung und Künstlerischer Leitung habe immer funktioniert, setze aber absolutes Vertrauen in die Künstlerische Leitung voraus. Das sei bei der Documenta fifteen verloren gegangen. "Wer möchte unter diesen Bedingungen noch in die Findungskommission oder die Künstlerische Leitung?", fragt Kimpel.
"Schon die letzten Ausstellungen waren keine Documenta-Ausstellungen mehr", meint er. Das Selbstverständnis der Documenta als Ausstellung, die auf stets provokante Weise das Wesentliche der zeitgenössischen Kunst dokumentiere, sei zerronnen. Stattdessen gehe es nur noch um "besonders pfiffige Konzeptionen". Die Documenta 16 würde Kimpel gerne "als großangelegtes, fulminantes Finale" sehen. Folgen könne "ein völlig neues Format mit vollkommen anderem Inhalt. Ein neues Format, das in der Lage sein müsste, die gleiche Strahlkraft zu entwickeln wie die Documenta."
Tatsächlich werde es aber leider mit Sicherheit weitergehen, so Kimpel. "Was dann kommt, trägt allerdings nur noch den Namen und hat inhaltlich nichts mehr mit der Documenta zu tun. Sie verkommt zu einer leeren Hülse mit beliebigem Inhalt und wird zunehmend an Bedeutung verlieren. Das wäre die jämmerlichste Existenzform dieser großartigen Veranstaltungsreihe. Die Documenta sollte aber nicht jammervoll enden, sondern sich mit krachendem Selbstbewusstsein verabschieden."