Cédric Carles and Loïc Rogard, Sie sind Teil von Atelier21, einer Gruppe aus Paris, die sich für die Energiewende engagiert und haben ein Buch über die Geschichte der Energie veröffentlicht. Warum soll das interessant sein für unsere aktuellen Probleme?
Weil wir glauben, dass die Geschichte dazu beiträgt, die aktuellen Diskussionen über verschiedene Energien und Technologien zu entdramatisieren und zu entpolarisieren. Als ein Kollektiv von Künstlerinnen und Künstlern, Designerinnen und Designern und Historikerinnen und Historikern, die sich leidenschaftlich mit Energiefragen beschäftigen, wollen wir eine neue Perspektive auf diese Themen bieten, indem wir unser Publikum mit unserem partizipativen Forschungsprogramm "Paleo-Energie" in die Untersuchung einbeziehen. Wir wollen unsere Forschung nicht nur auf Maschinen beschränken, sondern auch ihren Gebrauch sowie Kunst, Literatur und Science Fiction in unsere Analyse aufnehmen. Spannend für uns sind vergessene Visionen. So sprach der Schriftsteller Emile Zola bereits 1901 über die Nutzung der Solarenergie als Lösung für die Zukunft, nachdem er die Auswirkungen der Kohle auf die Gesellschaft und die Gesundheit der Bürger untersucht hatte. Er sprach auch von "elektrischen Fahrzeugen, die allen zur Verfügung stehen", und kündigte damit sehr vorausschauend eine Form des Carsharings an.
Sie sagen, Ihr Forschungsprogramm ist partizipativ. Wie funktioniert das?
Es macht unser Publikum zu einem Team von Forscherinnen und Forschern. Wir möchten, dass sie in die Erforschung und das Verständnis der Energiegeschichte einbezogen werden, die uns als unabdingbare Voraussetzung für einen nachhaltigen Übergang erscheint.
Haben Sie gute Erfindungen gefunden, die heute nützlich sein können?
Es gibt viele, aber eine der bekanntesten ist die von Karl Kordesch, dem Erfinder der modernen Alkalibatterie. Wir entdeckten, dass er eine mikroelektrische Impulstechnologie entwickelt hatte, die die Regeneration von Alkalibatterien für den einmaligen Gebrauch ermöglicht. Also beschlossen wir, sein Patent zu übernehmen und organisierten einen Hackathon und ein Crowdfunding, um zu zeigen, dass diese Technologie bei allen heute auf dem Markt befindlichen Batterien funktioniert. Mit dieser Neuerfindung des Patents und unserer gemeinsamen Forschung schaffen wir eine Kreislaufwirtschaft für Einwegbatterien. Wir entwickeln kollektive Lösungen für die Bewirtschaftung giftiger Batterieabfälle, wie zum Beispiel Recyclingstationen oder Mini-Sortierzentren für Museen und Theater. Nach unseren Statistiken sind 25 Prozent der weggeworfenen Batterien neu, 50 Prozent können regeneriert werden, und nur 25 Prozent müssen recycelt werden.
Gehen Sie auch weiter in die Geschichte zurück?
Faszinierend ist zum Beispiel Leonardo da Vincis Methode, Bronze mit Sonnenenergie zu schmelzen. Einigen Quellen zufolge hatte er eine Technik dazu gefunden und wollte damit ein monumentales Reiterstandbild zu Ehren des Herzogs von Mailand, Ludovico Sforza, herstellen. Leider wurde das Projekt abgebrochen.
Warum?
Die 100 Tonnen Bronze, die für das Denkmal vorgesehen waren, wurden schließlich zum Gießen von Kanonen verwendet, um die französischen Soldaten von Ludwig XII. abzuwehren. Später versuchte Georges Louis Leclerc, Graf von Buffon (1707-1788), die Legende von der Verbrennung der römischen Flotte durch Archimedes mithilfe von Brennspiegeln wissenschaftlich zu bestätigen. Er baute eine Vorrichtung aus Spiegeln und demonstrierte bei Vorführungen, dass Metalle wie Gold und Silber durch Sonnenkonzentration geschmolzen werden können. Heute ist die Idee der solaren Konzentration wieder aktuell. Wir haben Mari Keto, eine Schmuckkünstlerin aus Kopenhagen, als Gast in unserem Kulturzentrum La Station-E in Montreuil empfangen. Gemeinsam mit ihr und dem Designer Jean Dard haben wir ein Gerät entwickelt, mit dem man während einer Aufführung Einzelstücke mit Sonnenenergie schmelzen kann.
Der Übergang zu einer postfossilen Gesellschaft scheint unglaublich schwierig. Wie sollten wir das angehen?
Wir glauben, dass das bürgerschaftliches Engagement, Nüchternheit und soziale Gestaltung erfordert. Wir glauben auch, dass Kultur und Kunst eine entscheidende Rolle bei diesem Wandel spielen. Künstler und Künstlerinnen können neue Erzählungen formulieren, das Bewusstsein für ökologische Fragen schärfen und die Menschen zum Handeln inspirieren. Kunstwerke können auch als Experimentierfeld dienen, um die kollektive Vorstellungskraft zu formen und innovative Lösungen anzuregen. Kurz gesagt, wir glauben, dass der Übergang zu einer Gesellschaft nach dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen eine kollektive Anstrengung ist, die alle Aspekte der Gesellschaft einbeziehen muss, einschließlich der Kultur und der Kunst.
Sie stellen Ihre Forschungen auf den Engadin Art Talks vor. Das Thema der Talks ist Hoffnung. Was gibt Ihnen Hoffnung?
Es ist beruhigend zu sehen, dass die Vergangenheit zur Rettung unserer Zukunft werden kann. Indem wir die Praktiken und Technologien vergangener Gesellschaften erforschen, können wir Ideen und Lösungen entdecken, die uns helfen können, aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Darüber hinaus ermöglichen uns die digitalen Werkzeuge den Zugang zu vielen Archiven, die das Gedächtnis der Welt darstellen. Diese Archive können uns Zugang zu positiven ökologischen und sozialen Erzählungen für die Welt von morgen verschaffen. Wir können Dinge, die es schon mal gab, neu erfinden. "Retrotech" und der Zugang zu Archiven bieten uns die Möglichkeit, Ideen und Lösungen zu entdecken, die uns helfen können, eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft zu gestalten. Paleo-Energie ist eine optimistische Forschung, die faktisch zeigt, dass der Übergang bereits hier ist.
Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr spricht mit Detektor FM über aktuelle Kunstveranstaltungen in der Schweiz: die Kunstmesse Art Geneve, die Engadin Art Talks mit dem Thema "Hoffnung? Hoffnung!", die Gruppenschau "Elevation 1049" mit Performances in der Berglandschaft von Gstaad und über ein besonders feines Museum in Susch. Sie können die Beitrag hören, wenn Sie hier "Inhalte aktivieren" klicken: