Tobey kriegt den Satz einfach nicht über die Lippen. Während das Team Däumchen dreht, versucht der Regisseur dem jungen Latino-Darsteller die falsche Aussprache abzugewöhnen, die so klingt: "Wäre es blossoh einfach". Im fertigen Film – verrät der Trailer des Berlinale-Eröffnungsfilms "Hail, Caesar!" – sagt Tobey dann nur: "Es ist kompliziert!" Wie auch immer: In dem Stoßseufzer steckt das ganze Dilemma des Kinos – Komplexes für das Publikum nachvollziehbar auf die Leinwand zu bringen. Was für Kunst wie Kommerz gilt. Beides gehört zur Berlinale. Und wem, wenn nicht Joel und Ethan Coen, ist der zum Festivalauftakt nötige Spagat zuzutrauen? "Hail, Caesar!" spielt in der goldenen Ära Hollywoods, Stars wie George Clooney, Ralph Fiennes oder Scarlett Johansson versprechen Glamour und eine kräftige Dosis Selbstironie.
Während die bereits am 18. Februar bundesweit startende Farce außer Konkurrenz läuft, ringen knapp weitere 20 Produktionen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und den USA um den goldenen und diverse silberne Bären. Wie üblich dürften die (für den roten Teppich) anberaumten Star-Premieren die diesmal von Meryl Streep geleitete Jury weniger beeindrucken als Werke, unter denen kaum bekannte Namen stehen, etwa Ivo M. Ferreira aus Portugal oder Mani Haghighi aus dem Iran.
Zu den Star-Regisseuren der Filmgeschichte zählt fraglos Fritz Lang. Nach der sensationellen Wiederaufführung des vervollständigten "Metropolis" 2010 feiert nun eine restaurierte Fassung des Lang-Klassikers "Der müde Tod" (1921) auf der Berlinale Premiere. Hier ist keine Originalmusik überliefert, daher wurde der Freiburger Komponist Cornelius Schwehr mit einer Neukomposition beauftragt. "Im Tonfilm gibt es ja Dialoge und Geräusche, über weite Strecken ist Musik dort nicht unbedingt nötig", sagt Schwehr, der nach eigenen Angaben eine "Metamusik über Stummfilmmusik" geschrieben hat.
Das Motto der Perspektive Deutsches Kino lautet in diesem Jahr "Unsichtbares sichtbar machen". Unter anderem zu sehen ist das Künstlerporträt "Wer ist Oda Jaune?", mit dem die Regisseurin Kamilla Pfeffer zeigen will, was für eine profunde Malerin die Witwe von Jörg Immendorff ist.
Hier ein Film über Kunst, dort Kunst aus Filmen: "personne" heißt der 15-minütige Beitrag zu den Berlinale Shorts vom Künstlerduo Girardet/Müller. Clips aus 146 Spielfilmen, in denen vor allem der französische Schauspieler Jean-Louis Trintignant immer wieder sich selbst begegnet, fügen sich zu einer surrealen Studie über Identität, Entfremdung, Vergänglichkeit.
MEHR KUNST:
"The Seasons in Quincy: Four Portraits of John Berger" von Bartek Dziadosz, Tilda Swinton, Christopher Roth und Colin MacCabe, Berlinale Special
Die vier Episoden des Films erzählen unterschiedliche Perioden aus dem Leben des britischen Schriftstellers, Malers und Kunstkritikers John Berger, der seit Jahrzehnten zurückgezogen in den französischen Alpen lebt. Dort bekommt er Besuch von der Schauspielerin Tilda Swinton, dem Regisseur Christopher Roth, dem Musiker Simon Fisher Tuner oder seinem Schriftsteller-Kollege Colin MacCabe. Den Rahmen der Begegnungen bildet jeweils eine der Titel gebenden vier Jahreszeiten, und mit jedem neuen Besucher wechselt auch der visuelle Stil.
"Mapplethorpe: Look at the Pictures" von Randy Barbato und Fenton Bailey, Panorama
In der Dokumentation "Mapplethorpe: Look at the Pictures" spricht der US-amerikanischer Fotograf und Künstler in neu entdeckten Interviews offen über sich und sein Leben. Die Regisseure Fenton Bailey und Randy Barbato, die bereits 2003 und 2005 in der Panorama-Sektion der Berlinale vertreten waren, bekamen für ihren neuen Film uneingeschränkten Zugang zu Mapplethorpes Archiven. Aussagen von Freunden, Geliebten, Familienmitgliedern, berühmten Persönlichkeiten und Modellen ergänzen auf kritische Weise das Bild dieser komplexen Schlüsselfigur der Fotografie des 20. Jahrhunderts.
"Don't Blink – Robert Frank" von Laura Israel, Panorama Dokumente
Für seine großangelegte Bildreportage über die Vereinigten Staaten reiste der schweizerisch-amerikanische Fotograf Robert Frank viele Monate durch das Land und machte 28.000 Fotos, von denen er 83 zu seinem Buch "Die Amerikaner" zusammenstellte. Seine Porträts sollten Einblick geben, in die Seele einer Nation. Frank, der nicht nur als Fotograf, sondern später auch als Filmregisseur und Kameramann arbeitete, gibt selber kaum etwas von sich preis, es existieren nur wenige Interviews. Gegenüber seiner langjährigen Mitarbeiterin und Cutterin Laura Israel öffnete er sich wie selten zuvor und spricht ausführlich über sein Leben und Werk.
"Remainder" und "Continuity" von Omer Fast, Panorama/Forum Expanded
Der erste Langfilm des israelischen Videokünstlers Omer Fast, "Remainder", läuft in der Sektion "Panorama" und ist eine Adaption des Debütromans von Tom McCarthy, mit dem gemeinsam Fast auch das Drehbuch schrieb. Der Film ist ein in London angesiedelter düsterer Thriller, in dem der Protagonist (gespielt von Tom Sturridge) nach Verlust seines Gedächtnisses versucht, seine Identität zurückzuerlangen, indem er in seinem Umfeld ein Leben inszeniert, an das er sich in Bruchstücken zu erinnern glaubt. Außerdem wird im "Forum Expanded" Fasts Arbeit "Continuity" zu sehen sein. Die Geschichte kreist um ein deutsches Paar mittleren Alters, das wiederholt junge, aus dem Krieg zurückkehrende Männer in ihr Haus einlädt, um ein undurchschaubares Ritual durchzuführen.
"Toute une nuit" von Chantal Akerman, Teddy
Das Werk der 1950 in Brüssel geborenen Künstlerin Chantal Akerman dreht sich um ihre Identität als Frau, Filmemacherin und Tochter von polnischen Holocaust-Überlebenden, es war bestimmt vom Wechsel zwischen engen Räumen und weiten Landschaften und dem Interesse für Ursachen der Migration. Im Oktober letzten Jahres verstarb sie im Alter von 65 Jahren. Die Berlinale zeigt in der Sektion "Teddy" (queer-relevante Filme) Akermans Film "Toute une nuit" von 1982, der wie eine Sommernachtssinfonie Gesten des Begehrens und Verwehrens zwischen sich Liebenden festhält.
"Le Corbusier [IIIII] Asger Jorn [Relief]" von Heinz Emigholz, Forum Expanded
Der knapp 30-minütige Film von Heinz Emigholz stellt die 1931 erbaute Villa Savoye von dem schweizer Architekten Le Corbusier dem Grand Relief von Asger Jorn gegenüber, das der dänische Maler und Bildhauer 1959 für das Århus Statsgymnasium produzierte. Der Film verbindet damit zwei Bauwerke, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben und erzeugt einen wortlosen Dialog, in dem extreme Klarheit auf offene Wildheit treffen.
Sondervorführungen zu David Bowie, Alan Rickman und Ettore Scola
Mit drei Sondervorführungen erinnern die Internationalen Filmfestspiele Berlin an die kürzlich verstorbenen Künstler David Bowie, Alan Rickman und Ettore Scola. Alle Infos dazu finden Sie hier.