"Ich glaube, dass alle wirklichen Künstler bis zu einem gewissen Grad bipolar sind", sagte Shia LaBeouf unlängst in einem Interview. Der Satz klingt origineller, als er ist, meint er doch das unter Hollywoodstars verbreitete Gefühl, ein Produkt der Filmindustrie zu sein, andererseits aber unbedingt mehr zu wollen. (LaBeouf: "Das Leben imitiert die Kunst. Also haben die Figuren, die ich gespielt habe, mich als Person erst geschaffen …"). Als Ausweg bieten sich traditionell an: Dauergrinsen (George Clooney), Flucht in die Kunst (James Franco) oder Selbstdemontage (die Liste ist lang). LaBeouf kuriert sein bipolares Problem derzeit mit einem tripolaren Cocktail aller drei Zutaten.
Erste Verhaltensauffälligkeiten datieren aus dem vergangenen Winter, als Plagiatsvorwürfe gegen LaBeouf laut wurden (es ging um einen von ihm gedrehten Kurzfilm). Als auf der Berlinale dann Lars von Triers "Nymphomaniac" Premiere feierte, pöbelte LaBeouf Journalisten an und lief mit einer Papiertüte auf dem Kopf über den roten Teppich. Darauf stand: "I am not famous anymore." Wer jetzt noch bezweifelte, dass LaBeouf aus dem falschen ins richtige Leben gewechselt ist, durfte in den kommenden Monaten sein Debüt als Performancekünstler und Anhänger der "Meta-Modernism"-Bewegung bestaunen. Der 28-Jährige absolvierte einen Meta-Marathon rund ums Stedelijk Museum in Amsterdam, sprang eine Stunde lang Seil (Titel: "Meditation for Narcissists"), ließ ein Flugzeug den Satz "Start Creating" in den Himmel schreiben.
In Los Angeles setzte sich LaBeouf für eine Installation eine Woche lang an einen Holztisch, wieder trug er jene Papiertüte über dem Haupt. Besucher durften sich ihm nähern und mit diversen Utensilien mit ihm interagieren. Eine Besucherin, das jedenfalls erzählte LaBeouf im Interview dem Magazin "Dazed", soll ihn mit einer Peitsche minutenlang auf die Beine geschlagen, ihm dann die Kleidung vom Leib gerissen und ihn vergewaltigt haben.
Die Wellen der Empörung, des Mitleids und Unglaubens waren kaum verebbt, da veröffentlichte der Musiker Rob Cantor ein Video mit dem Titel "Shia LaBeouf". "You’re walking in the woods, there’s no one around and your phone is dead. Out of the corner of your eye you spot him, Shia LaBeouf!", heißt es in dem Musical-artigen Stück, in dem der Gay Men’s Chorus of Los Angeles und ein Kinderchor vor dem "Kannibalen" LaBeouf warnen. Die Aufführung endet, und aus dem Saal ertönt ein schwaches Klatschen. Es ist LaBeouf selbst, der sich hier als einziger Zuschauer seiner selbst applaudiert.
Rückblick 2014