Wer ein Konzert der Industrial-Band Laibach in Nordkorea auf die Beine gestellt hat, dem kann ein Austauschprojekt unter bildenden Künstlern nicht schwer fallen, sollte man meinen. Immerhin sind die slowenischen Musiker darauf spezialisiert, das ästhetische Vokabular totalitärer Regime nachzuahmen. Das kuriose Konzert endete 2015 mit Standing Ovations. Ein Grund mehr für den Organisator des Spektakels, Morten Traavik, erneut einen Ausflug in den abgeschotteten Führer-Staat zu wagen. Das Ergebnis ist die Dokumentation "War of Art" von Regisseur Tommy Gulliksen, die am morgigen Donnerstag in die Kinos kommt.
Der norwegische Künstler Traavik sucht seit Jahren den Dialog, um Gräben abzubauen, denn Sanktionen hätten bisher keinerlei Wirkung gezeigt. Im Rahmen der von ihm initiierten "DMZ-Academy" soll sich deshalb eine Gruppe internationaler Künstler an Workshops mit Studierenden versuchen. An der Musikhochschule scheitert das Unterfangen schon daran, dass der Nachwuchs zwar seine roboterhafte Virtuosität am Klavier präsentieren darf, aber der westlichen Soundkunst im Anschluss fernbleibt, bis auf den Direktor, der nach wenigen Sekunden degoutiert die Nase rümpft.
Annäherung nur über Männerwitze
Nach und nach prallt erwartungsgemäß auch der Rest der auf Schritt und Tritt überwachten Truppe mit seinen gut gemeinten Einblicken in Körperdesign, subjektive Fotografie oder sinnfreie Malerei an der ideologischen Mauer ab, die den Kunstbegriff der Gastgeber fest im Griff hält: Zwischen Erbauungs-Kitsch und handfester Propaganda ist kein Platz für nicht abgesegnete Experimente. Eine Annäherung gelingt nur über Männerwitze auf Kosten heiratsreifer Frauen, die den Fremden wie kostbare Kanarienvogel vorgeführt werden.
Es mutet beinahe rührend an, wie schnell das naive Häufchen seine subversiven Gesten aufgibt und vor den mal autoritär, mal kumpelhaft auftretenden Aufpassern kuscht. Selbst für verlogene Karaoke-Versöhnungsfeiern ist man sich nicht zu schade, um die Friedensbotschaft nicht zu gefährden - mehr Appeasement geht nicht.
"Im Westen ermuntert man uns zum Scheitern. Hier ist Scheitern keine Option", stellt die irische Bühnengestalterin entsetzt fest und lobt resigniert die handwerklichen Qualitäten der Obstmotive stickenden Studentinnen. Einzig der chinesische Kollege scheint die Funktionsweise des Systems zu durchschauen. Für ihn ist die Reise eine Fahrt in die Vergangenheit seiner Kindheit, kurz bevor China die Wende zu seiner so schizophrenen wie erfolgreichen Kapitalismus-Variante einleitete. Ihm gelingen sogar provokative Gespräche über die Situation von Schwulen und Lesben, die es nach Ansicht seines linientreuen Gegenübers im real existierenden Kollektiv-Paradies gar nicht geben kann, da diese ungesunden Phänomene einzig ein Produkt des Kapitalismus seien.
Hurra, ein Wasserstoffbombentest
Gegen Ende kommt doch noch unfreiwillig Spannung auf, als ein Wasserstoffbombentest die Hotelzimmerwände wackeln lässt und die im Hurra-Ton vorgetragenen Nachrichten stolz das Waffenarsenal zur Schau stellen, das Präsident Trump zur Strecke bringen möge. Ausgerechnet der französische Blut- und Knochen-Künstler gerät in Panik und zieht sich, nicht ohne vorher dem Kameramann seinen Allerwertesten zu zeigen, in eine Dämmerwolke aus Beruhigungstabletten zurück.
Die anderen suchen mehr denn je den klärenden Austausch, ernten aber nur eine Kaskade aus Treueschwüren auf den weisen und geliebten Kim Jong-un, der das Land zum mächtigsten Staat des Planeten erhoben habe. Da geraten dann selbst die klaustrophobisch ausgeleuchteten Hotelflur-Bilder ins Wanken angesichts der frei flottierenden Nervosität auf allen Seiten. Und die mit ihrer progressiven Haltung allein gelassenen Fernreisenden wirken selbst so isoliert wie in einem aus dem Ruder gelaufenen David-Lynch-Trip.