Elias Sime im Düsseldorfer Kunstpalast

Die Magie der Vogelperspektive

Obwohl seine Reliefs aus recycelter Elektronik abstrakt wirken, ähneln sie aus der Ferne Naturräumen, Satellitenaufnahmen oder Stadtansichten: Der Äthiopier Elias Sime denkt im Düsseldorfer Kunstpalast das Landschaftsgenre neu

In seinem Atelier stapeln sich ausgediente Smartphones, Fernsehmonitore, Drähte und Computer-Tastaturen aus der ganzen Welt. Mehr als 30 Assistenten sortieren sie nach Farben und Kunststoffart. Elias Sime fertigt seine Großformate, die es 2022 in die zentrale Ausstellung "The Milk of Dreams" auf der Biennale von Venedig geschafft hatten, aus importiertem Elektroschrott, der auf dem Mercato in Addis Abeba, dem größten Freiluftmarkt in Afrika, verkauft wird. Der ausgebildete Grafik-Designer schneidet, flicht, webt und hämmert sie auf Holz zu etwas zusammen, das skulpturalen Gemälden oder zivilisationskritischen Collagen mit subtilen Andeutungen von Figuration nahekommt.                          

Die mitunter dreidimensionalen Mosaike, deren Zusammensetzung gemeinsam mit dem Team bis zu 20 Jahre dauern kann, bestehen aus Hunderten von Tasten, stehengebliebenen Armbanduhren oder Elektrokabeln, sind verwirbelt und in Farbfelder unterteilt, die man mit genug Distanz sogleich als Ackerland oder Pflanzenmotive identifizieren möchte. Andere funkeln wie eine Großstadt bei Nacht. "Der Mensch ist die Brücke zwischen der natürlichen und der gebauten Umwelt. Wir können von keinem von beiden getrennt werden", sagt Sime. Deshalb interessiert er sich auch für Geräte, die uns mit anderen kommunizieren lassen, aber den Nachteil haben, Berge von Elektromüll zu produzieren, der in Ländern wie Äthiopien oder Ghana entsorgt wird.               

Kein pessimistischer Wettstreit der Lebenszyklen       

Die ökologischen Auswirkungen der über den Globus wuchernden Technologie sind verheerend, der fatale Kreislauf durch Weiterverwertung im Kunstkontext natürlich nicht zu durchbrechen. Um Konsumkritik geht es Sime deshalb nur am Rande in "Echo", seiner ersten Ausstellung im deutschsprachigen Raum. Für ihn zählen all die Geschichten der Menschen, die hinter der Produktion und Verwendung der Monitore und Mikrochips stehen, ihr zunehmender Verlust von physischen Begegnungen, das Ausgeliefertsein an eine gnadenlos vernetzte Arbeitswelt. In Düsseldorf gesellen sich zu den aufwändigen Wandornamenten deshalb Keramikarbeiten, die Sime in Auftrag gegeben hat. Es braucht Zeit und Entschleunigung, um sie herzustellen. 

So verbindet er volkstümliches Handwerk, von äthiopischen Schnitzereien bis zu kunstvollen Webtechniken, mit kurzlebigen Massenobjekten, die nach gründlicher Transformation als komplexe Tableaus eine zweite Chance bekommen. Das Ergebnis ist ein keineswegs pessimistischer Wettstreit der Lebenszyklen. "Es fällt uns schwer anzuhalten und zu schlafen, weil unser Gehirn ständig durch Technologie stimuliert wird", sagt Sime. "Wir bewegen uns schneller und nicht langsamer". Sein Gegenmittel? Geduld, Disziplin und Liebe zum Detail.