Ihren Tod betätigte unter anderem die Galerie Barbara Thumm, die Teresa Burgas Werk vertreten hat und nun nach Angaben von Montag auch ihren Nachlass betreut. Die Künstlerin starb demnach mit 85 Jahren in Lima. Burga, die 1935 im peruanischn Iquitos geboren wurde, blieb durch die Militärdiktatur, die bis 1975 in ihrem Heimatland herrschte, sowie die ökonomischen Krisen im Land lange Jahre von der lokalen wie internationalen Kunstszene isoliert. Dabei war sie ihrer Zeit vielfach voraus. Sie gehörte 1966 zu den Gründerinnen der Arte-Nuevo-Gruppe.
In ihren der Pop-Art verwandten Gemälden und Environments, in ihren Zeichnungen, Objekten und kybernetischen Installationen verstand sie es, komplexe gesellschaftliche Strukturen greifbar zu machen. Die Jahre 1969 bis 1971 verbrachte sie in Chicago, wo ihre Werke konzeptueller wurden. Anschließend kehrte sie jedoch nach Peru zurück und arbeitete trotz aller Widerstände an ihren neuen Strategien. Sie schuf Werke, die von der westlich geprägten Vorstellung der Konzeptkunst nicht vollständig erfasst werden können, und die auf vielschichtige Weise Feminismus, Kolonialismus und Normen des Zusammenlebens thematisieren.
Eines ihrer zentralen Werke ist Burgas Selbstporträt "Autorretrato. Estructura. Informe. 9.6.72", in dem sie ihre Identität als Künstlerin in (pseudo-)wissenschaftliche Kennzahlen zerlegt. Sie vermaß dafür jede Erhebung ihres Gesichts, dokumentierte ihre Ganzkörperkontur auf Millimeterpapier und übersetzte die Ergebnisse ihres Bluttests in ein medizinisch nutzloses Diagramm. Über allem pocht ihr Herz, das den Rhythmus für eine rot blinkende Objekt-Licht-Skulptur vorgibt.
Die Vermessung des Selbst
Das Spiel mit Repräsentation und Ideal, Selbst- und Fremdbild ist für Burgas feministisch motiviertes "Profil" ebenfalls zentral. Mit Unterstützung von Statistikern und Psychologen fand sie auch heraus, wie sich ihre Geschlechtgenossinnen der Mittelklasse im Alter zwischen 25 und 29 wahrnahmen. Die Arbeit, die 1972 entstand, hat in 50 Jahren nichts an Aktualität und Eindringlichkeit verloren, wenn überhaupt, hat die Selbstvermessung und das Streben nach vermeintlich idealen Körpern noch zugenommen. Dank neuer Technik wissen wir außerdem mehr über uns, als jemals zuvor, und die politische Bedeutung von Körpern ist in den Debatten über Geschlechtergerechtigkeit omnipräsent.
Als hätte sie geahnt, dass sie lange vergessen sein und erst als 76-Jährige wieder international registriert werden würde, beschäftigte sich Burga gründlich mit dem Phänomen Zeit. Auf ihren Zeichnungen notierte sie penibel die Stunden- und Minutenintervalle, die sie für die Fertigstellung brauchte. Es dauerte dann auch ziemlich lange, bis der Kunstbetrieb seine Aufmerksamkeit auch auf den globalen Süden legte und mit Teresa Burga eine Künstlerin fand, die Dekolonisierung und Feminismus jenseits von weißem Mainstream schon längst gedacht und zu Kunst gemacht hatte. Es folgten unter anderem Ausstellungen im Migros Museum in Zürich, in der Kestnergesellschaft Hannover und im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart.
Nun muss sich die Kunst einmal mehr von einer beeindruckenden Persönlichkeit verabschieden, die sie lange verkannt hat. Die wahren Ausmaße der Teresa Burga werden erst jetzt wirklich gewürdigt.