Nach der Vollbremsung für die Wirtschaft im Kampf gegen die Corona-Pandemie kommen nun in Deutschland die ersten Lockerungen für den Einzelhandel. Viele kommerzielle Kunstgalerien haben bereits angekündigt, in der kommenden Woche wieder öffnen zu wollen, dabei aber strengere Hygiene-Regeln einzuhalten.
Für Verwirrung hat ein Passus im Beschluss der Bundesregierung vom 15. April gesorgt, laut dem "Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen, Galerien, Ausstellungen, zoologische und botanische Gärten und ähnliche Einrichtungen" noch geschlossen bleiben sollten. Wie Kristian Jarmuschek, Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Galerien, nach Rücksprache mit der Bundespolitik sowie dem Berliner Senat bestätigt, sind mit diesem Passus aber städtische Galerien oder andere größere Ausstellungshäuser gemeint. Entscheidend sei die steuerliche Veranlagung: Galerien und Kunsthandlungen werden steuerlich wie Einzelhändler behandelt und gelten deshalb auch bezüglich der Beschränkungen nach Seuchengesetz als Geschäft, nicht als Ausstellungshaus. Deshalb dürfen Galerien definitiv mit dem Einzelhandel öffnen.
Für Museen wird es aber noch etwas dauern, bis sie eröffnet werden. "Wir befinden uns noch in wartender Position", sagte die Sprecherin des Frankfurter Städel Museums, Pamela Rohde. Museen gehörten wie Schulen zu den Bildungseinrichtungen, hier stehe in Hessen eine schrittweise Öffnung ab dem 27. April auf dem Plan. "Wir würden uns natürlich freuen, wenn wir sobald wie möglich wieder aufmachen können", sagte Rohde. Das Städel sei in der Lage, einen Hygieneplan zu erstellen, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen und die Besucherströme zu regulieren. "Wir können das alles, und daran arbeiten wir gerade intern."
Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr spricht im Interview mit Detektor.fm über die Situation für Galerien und Museen bei der schrittweisen Lockerung der Corona-Maßnahmen:
Ob die Besucher dann überhaupt kommen, ist eine andere Frage. Laut einer Online-Umfrage von Monopol und Civey sind die meisten Befragten dagegen, dass Museen und Galerien zu den Orten gehören, bei denen die Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie als erstes wieder gelockert werden:
Kunst kann körperliche Nähe nicht ersetzen, aber erzwungene Isolation erträglicher machen - in dieser Überzeugung hat die Kunsthalle Mainz jetzt neue digitale Formate aufgebaut. "Mit Kunsthalle Mainz @home knüpfen wir an vergangenen Ausstellungen an und laden Künstlerinnen und Künstler ein, in dieser Situation einen anderen Blickwinkel einzunehmen", sagte die Leiterin der Kunsthalle, Stefanie Böttcher. "Jetzt, wo alle mehr oder weniger zu Hause sind und wir uns nicht mehr in der Kunsthalle Mainz sehen können, kommen wir mit der Gegenwartskunst zu Ihnen nach Hause." Auf Facebook, Instagram und künftig auch auf der erneuerten eigenen Webseite lädt das Ausstellungshaus am Mainzer Zollhafen auch zu Mitmachaktionen ein. "Sei wie ein Spiegel für dein Gegenüber", fordert der britische Theaterautor und Performance-Künstler Tim Etchells die Betrachter zu einem Bewegungsspiel mit dem eigenen Körper auf. Und der Schweizer Künstler Uriel Orlow, dessen Schau mit dem Titel "Conversing with Leaves" (Mit Blättern sprechen) bis Februar in der Kunsthalle zu sehen war, lud Kinder ein, aus Pflanzen Farben herzustellen. Zwei Gedanken seien für sie bei der Entwicklung des Konzepts wesentlich gewesen, erklärt Böttcher im dpa-Gespräch. Zum einen gehe es darum, den Austausch zwischen Gesellschaft und Kunst weiter lebendig zu halten. Zum anderen wolle sie einen kleinen Beitrag dazu leisten, um Künstlerinnen und Künstlern mit der Honorierung ihrer Werke für "Kunsthalle Mainz @home" finanziell abzusichern. "Wenn das mehrere Institutionen machen, geht das vielleicht schon ein bisschen." Der libanesische Schauspieler, Regisseur und bildende Künstler Rabih Mroué schickte der Kunsthalle die "Rekonstruktion eines Tagesbuchs" mit handschriftlichen Einträgen wie "I feel sick. I have all the signs of CV19" (Ich fühle mich krank. Ich habe alle Symptome von Covid-19). Wenige Tage später dann: "I feel better." (Ich fühle mich besser). Sein Kalender zeigt für März und April internationale Termine an, die alle mit dem Querbalken "Cancelled" (Abgesagt) durchgestrichen sind. Sie habe die Künstler um Beiträge zu Fragestellungen gebeten, die sie selbst beträfen, erklärte Böttcher. In der Gestaltung - ob in Text, einem kurzen Video oder einem Lied - sollten sie sich völlig frei fühlen. Vorgaben gibt es nur von den Online-Plattformen - höchstens acht Bilder für einen Instagram-Post und maximal vier Gigabyte für ein Facebook-Video. "Ich freue mich, dass alle gerne mitmachen, die wir angefragt haben." Angekündigt sind noch Beiträge der tschechischen Künstlerin Kateřina Šedá und des türkischen Künstlers Ahmet Öğüt. Kunst ermögliche es den in der Corona-Situation "zwangsverkapselten" Menschen, sich als global und weltweit vernetzte Wesen wahrzunehmen, erklärte die Leiterin der Kunsthalle. "Physische Berührungen sind im Internet unmöglich. Aber man kann emotional oder sinnlich berührt werden. Das ist in einer Ausstellung zwar schöner und leichter, aber wir versuchen es jetzt digital."
Die Eröffnung des neuen Pariser Museums des französischen Modemilliardärs François Pinault ist wegen der Coronavirus-Pandemie erneut verschoben worden. Aufgrund der Krise können die Arbeiten zur Fertigstellung nicht termingerecht durchgeführt werden, teilte die Pressestelle am Freitag mit. Das Museum soll nun im Frühjahr 2021 starten. Die Eröffnung des Hauses, das in der für rund 160 Millionen Euro umgebauten Bourse de Commerce (Handelsbörse) seinen Betrieb aufnehmen soll, war zuvor bereits von Mitte Juni auf September verlegt worden. Es ist das dritte Museum des 83-Jährigen, der einst an der Spitze eines gewaltigen Luxus- und Modeimperiums mit Marken wie Gucci, Yves Saint Laurent und Balenciaga stand. Das Palazzo Grassi und die Punta della Dogana in Venedig wurden 2006 und 2009 eröffnet. Pinaults Sammlung gehört mit rund 5 000 Werken zu den bedeutendsten für zeitgenössische Kunst. Im Kampf gegen die neuartige Lungenkrankheit wurde in Frankreich die am 17. März verhängte Ausgangssperre bis zum 11. Mai verlängert.
Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama ruft mit einen Gedicht zum Kampf gegen das Coronavirus: "Zu Covid-19, das uns im Weg steht, sage ich: Verschwinde von dieser Erde!", schreibt die 91-Jährige in ihrer Botschaft, die unter anderem im "Guardian" veröffentlicht wurde. Auch die japanische Künstlerin selbst hat mit den Konsequenzen der Pandemie zu kämpfen, ihre Ausstellungen für dieses Jahr im Hirshhorn Museum in Washington D.C. und im New York Botanical Garden wurden abgesagt. "Wir befinden uns gerade auf der dunklen Seite der Welt, aber wir müssen gegen dieses furchtbare Monster kämpfen", schreibt sie. Es sei Zeit, "eine Hymne der Liebe für unsere Seelen zu suchen". Zusammen könnten wir es schaffen. Kusama zeigt sich dankbar für alle, die schon kämpfen. "Die Zeit zu kämpfen ist gekommen, um unser Unglück zu überwinden."
In einem weltweiten Kunstprojekt können Kinder ihre Erlebnisse während der Corona-Pandemie in Bildern festhalten. Aus den Einsendungen soll eine virtuelle Kinderkunst-Ausstellung entstehen, die Mitte Juni in Zeitungen und auf Websites zu sehen sein wird. Dies kündigte am Mittwoch die Wochenzeitung "Die Zeit" an, die das Vorhaben gemeinsam mit dem Internationalen Kinderkunstmuseum in Oslo und weiteren Redaktionen wie der "Washington Post" gestartet hat. Unter dem Motto "kids paint corona" (Kinder malen Corona) können Kinder ihre Hoffnungen und Ängste ausdrücken. Sie können zeigen, wie sich ihr Alltag verändert hat und was sie sich für die Zukunft wünschen. Fotos oder Scans der Kunstwerke sollen bis zum 31. Mai per Mail an kidspaintcorona@zeit.de eingereicht und zusätzlich mit dem Hashtag #kidspaintcorona bei Instagram gepostet werden. Auf der Website des Kinderkunstmuseums würden vorab ausgewählte Bilder gezeigt, hieß es. Zum Jahresende ist in Oslo außerdem eine echte Ausstellung geplant.
Seit vier Wochen befinden wir uns jetzt im Lockdown. In dieser Zeit hat der Berliner Künstler Philip Grözinger gezeichnet, wie wir uns dabei fühlen. Das Wesen im Schutzanzug ist allein, natürlich, wer ist das nicht in diesen Tagen. Es ist allein und deshalb sicher. Es beschäftigt sich im Haus, blickt auf die ausgesperrte Natur, bleibt via Technik in Verbindung mit der Außenwelt und geht auch mal mit dem Dackel raus. Die Zeichnungen, die der 1972 geborene Berliner Künstler Philip Grözinger seit einigen Wochen anfertigt, bringen auf den Punkt, wie wir uns in der Quarantäne fühlen. Alles ist still und fremd, manchmal schön, manchmal beängstigend. Es wird vorbeigehen, bestimmt.