Die in Bautzen geborene Fotografin Evelyn Richter ist im Alter von 91 Jahren in Dresden verstorben. Dies bestätigte unter anderem das Evelyn-Richter-und-Ursula-Arnold-Archiv am Museum der bildenden Künste Leipzig. Richter war die erste Trägerin des 2020 geschaffenen Bernd-und Hilla-Becher-Preises der Stadt Düsseldorf: Eine verdiente Auszeichnung für das Lebenswerk der damals 90-jährigen Fotografin. Die Jury erklärte damals, als visuelle Chronistin richte die lange in Leipzig tätige Fotokünstlerin den Blick auf ostdeutsche Arbeits- und Alltagswelten. "In ihrer Offenheit und Unvereinnahmbarkeit liegt die große Aktualität von Evelyn Richters fotografischer Haltung", lautete die Begründung.
Sowohl in der DDR als auch im vereinten Deutschland setzte sich die 1930 geborene Tochter eines Sägewerksbesitzers kritisch mit dem Sozialismus und den Unwuchten der Demokratie auseinander. Ein gutes Bild, sagte Richter einmal, müsse ein Sinnbild sein und die Kraft des Erlebnisses enthalten, müsse Emotionen verdichten und Inhalte transportieren.
In diesem Sinn hat sie von 1981 bis 1990 als prägende Fotografie-Professorin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig eine ganze Generation ostdeutscher Fotografinnen und Fotografen ausgebildet. "Ihre Kunst ging einher mit ihrem mutigen und nicht korrumpierbaren Verhalten", schreibt ihr ehemaliger Schüler Andreas Rost auf Facebook.
Im Museum der bildenden Künste Leipzig ist seit 2009 das Evelyn-Richter-Archiv beheimatet, das über 700 Arbeiten umfasst. Dessen Leiterin Jeannette Stoschek sagte am heutigen Dienstag auf Monopol-Anfrage: "Im September 2001 begegnete ich Evelyn Richter zum ersten Mal. In den folgenden Jahren lud sie mich immer wieder in ihr Atelier in die Oberlausitz ein. Dabei brachte sie mir in Bildern und Worten ihr künstlerisches, soziales und politisches Anliegen eindringlich nahe. Sie hat mir ihre Geschichte, aber auch die ihrer Zeit erklärt und mir mit ihren Fotografien eine neue Bilderwelt eröffnet und das Leben einer Künstlerin, einer Fotografin in der DDR erläutert."
Richter fotografierte vorwiegend in Schwarzweiß. Es war ein skeptischer, immer aber auch melancholischer Blick, den sie auf die Verhältnisse richtete.