"Jemand meinte einmal zu mir, alle Filme des Black Cinema sollten in Schwarz-Weiß gehalten sein, weil Farbe einfach zu dekadent dafür ist", erzählt Filmemacher Arthur Jafa und schnaubt dazu etwas verächtlich. Er sitzt an diesem Montagabend im Münchner Museum Brandhorst, dessen Fassade aus Keramikstäben in 23 Farben besteht, unter einem knallbunten Banner. Zum zweiten Mal haben sich das Filmfest München und das Brandhorst zusammengetan, um einen Künstler an zwei Orten aus verschiedenen Perspektiven zu ehren. Direkt vom Filmfest, wo die von Jafa kuratierte Reihe "A Peculiar Vantage" gezeigt wird, flitzte die Festival-Direktorin, ein wenig overdressed, weiter ins Museum, das die fotografischen Arbeiten des Gewinners des Goldenen Löwen von Venedig zeigt. Dort sitzt der beste Künstler der Biennale auf einem Panel mit drei afroamerikanischen Kollegen zusammen, deren Werke er fürs Filmfest ausgewählt hatte: Christopher Jon Alexander, Larry Clark und Dennis Dortch.
Eine Ästhetik der prekären Umstände
Was ist dieses Black Cinema, das sich beide Veranstaltungen so groß auf die Fahne geschrieben haben? Analog zu Musikern und Literaten mussten sich auch afroamerikanische Filmemacher mit ihrer Identität und dieser Frage beschäftigen. Dabei sei die Ästhetik des Black Cinema oft gar nicht absichtlich entstanden, sagen die Regisseure, sondern eher den Umständen geschuldet: Ein Dreh, der sich zieht und zieht, ein Budget, das praktisch nicht vorhanden ist, oder ein begehrter Darsteller, der leider noch im Knast sitzt.
Die Runde ist sich einig, dass all diese Hürden und Stolpersteine wahnsinnig erfinderisch machen und zu mehr Authentizität und "Rohheit" des Ergebnisses führen. Der Film lasse dann die "menschliche Hand" erkennen, ganz wie bei Jean-Luc Godard, der seinen Budgets eine Obergrenze setzte, um auf dem Teppich zu bleiben. Arthur Jafa wollte diese Praxis aber gleichzeitig nicht zu sehr romantisieren: "Es gibt da etwas, über das ich zuletzt viel nachgedacht habe", verrät er. Könnte es nicht auch sein, fragt er in den Raum, dass sie als schwarze Filmemacher jetzt für immer auf diese "Armuts-Filme" festgelegt würden? Und, wäre das eigentlich in Ordnung?
Die anderen drei stutzen ein wenig. Festlegung ist immer kontraproduktiv: Neue Rollenbilder sollten doch eigentlich endlich her, Vorbilder, wie sie den vieren in ihrer US-amerikanischen Kindheit abgegangen waren. Als Larry Clark („Passing Through“, 1977) sich in der Schule künstlerisch ausprobierte, wurde er auf Grund eines Gemäldes gleich für verrückt erklärt und von der Lehrerin zu einem psychologischen Gutachter geschickt. Bei den Rohrschach-Tests, die man ihm dort zeigte, gab er sich Mühe, in allen Klecksen wirklich nur Häschen, Kätzchen und ähnlich Harmloses zu erkennen. "Da hatte ich schon gemerkt, dass Kreativität auch gefährlich sein kann", sagt Clark, sehr zur Freude des Publikums. Die weißen Lehrer hätten sich einfach nicht zu helfen gewusst, was man mit außergewöhnlichen Kindern anstellen sollte.
Filmgeschäft war keine Option
Ähnlich berichtet es Dennis Dortch, der von seinen Kollegen dafür gefeiert wurde, wie sein Debüt "A Good Day to Be Black and Sexy" (2008) schwarze Lebensrealitäten eingefangen hätte. Auch Dortch sah sich selbst schon früh als Künstler und Geschichtenerzähler, aber damals, in seiner Jugend, bedeutete das für ihn, dass er zwangsläufig als Musik-Produzent arbeiten würde. Rap und HipHop lagen nahe. Das Filmgeschäft hingegen, mit dem er erst in der Uni dank Federico Fellini in Berührung kam, schien sich nicht innerhalb seiner Reichweite zu befinden.
Je mehr sich diese Grenzen lockern, desto stärker wandelt sich der Begriff des Black Cinema mit seinen Akteuren. Christopher Jon Alexander ("A Complicated Cartoon", 1995) sagte am Abend, er selbst hätte ja schon immer seine eigenen Pathologien als "Freak“ in die Arbeit einfließen lassen. Dass heute auch andere Regisseure von ihrem hohen moralischen Ross herabsteigen und sich trauen, ihre schwarzen Figuren in menschlicher Unvollkommenheit zu zeigen - sie in ihrer ganzen black strangeness darzustellen -, das finde er revolutionär.
Aus viel Chaos wird ein wenig Sinn
Keiner der vier anwesenden Filmemacher hat sich je an den Mainstream oder an Hollywood angebiedert. Alle begreifen, dass ihre Zielgruppe aus ihren jeweiligen Communities besteht, die bei der Produktion ihrer Filme fleißig mithelfen und sich im Gegenzug darin wiederfinden dürfen. Somit ist Black Cinema auch ein selbstbestimmter Raum, der sich mit Grenzüberschreitungen lebendig hält und aus viel Chaos einen Sinn schaffen will. Beispiele für den "krassen Scheiß", den man sich in diesem Genre so erlauben darf, fallen am Abend zuhauf: Da wäre etwa ein 40 Fuß langer Penis, den sich ein Protagonist wie einen Gürtel umbindet. Oder der Filmtitel eines Kollegen, der offenbar so schockierend ist, dass ihn keiner der Diskussionsteilnehmer in den Mund nehmen will. Damit wäre es in Hollywood ohnehin schwierig geworden.