Steven Soderbergh, vor fünf Jahren kündigten Sie an, sich aus dem Kinogeschäft zurückzuziehen, um fortan als Maler zu arbeiten. Was können Sie mit der Malerei ausdrücken, was Ihnen mit Film nicht gelingt?
Die Antwort wird für Sie nicht sehr befriedigend sein, aber bisher habe ich es noch nicht wirklich herausgefunden, weil ich einfach nicht tief genug in die Malerei eingestiegen bin. Mir fehlte schlicht die Zeit. Aber in den zwei Monaten, in denen ich versucht habe, mich ernsthaft damit zu beschäftigen, war ich tatsächlich vor allen Dingen daran interessiert, einige Ideen aus meiner Arbeit als Filmemacher umzusetzen.
Welche waren das?
Es hatte mit der Komposition des Bildausschnitts und seiner Geschichte zu tun. Weit bin ich nicht gekommen, weil ich dann anfing, an der Fernsehserie "The Knick" zu arbeiten. Aber letztendlich war der Schaffensprozess meiner Arbeit als Regisseur, Kameramann und Cutter sehr ähnlich. In der Fotografie funktioniert es ja auch nach einem ähnlichen Prinzip. Die besten Bilder, die keine Porträts sind, erzählen eine Geschichte. Und viele Regisseure vergessen, wie wichtig einzelne Bilder in einem Film sind, der sogenannte Shot.
Wie meinen Sie das?
Es fällt mir wirklich schwer, einen Film anzusehen, dessen Regisseur ganz offensichtlich nicht weiß, was es bedeutet, den Shot, also eine verdammte Einstellung, zu komponieren. Ich finde, eine einzige Einstellung im Film muss eine Geschichte erzählen können. Das heißt nicht, dass diese Einstellung schön oder besonders raffiniert sein muss. Aber sie sollte ein Stück der Geschichte enthalten. Wenn diese Einstellungen fehlen, vermindert es die Wirkung des Films. Und wenn eine Einstellung nicht richtig durchdacht ist, sollte sie gar nicht im Film vorkommen.
Wenn Sie malen, können Sie Ideen mit Farben im selben Moment auf der Leinwand umsetzen. Fehlt Ihnen diese Unmittelbarkeit manchmal als Regisseur?
Ich habe ja meinen neuen Film "Unsane" mit einem Smartphone gedreht. Und das hatte genau unter diesem Aspekt der Unmittelbarkeit etwas unglaublich Befreiendes. Ich konnte die ganze Logistik reduzieren und mit kleinem Equipment arbeiten. Und dadurch konnte ich dann am Set auch relativ schnell Ideen umsetzen, die normalerweise lange Umbauten erfordern. Ein Smartphone kann man überall schnell aufstellen und einfach drehen. Das ist tatsächlich, als würde ich einen Stift oder Pinsel in die Hand nehmen und zeichnen. Näher bin ich beim Filmen der Malerei noch nie gekommen. Das war eine gute Erfahrung.
Werden Sie in Zukunft noch einmal tiefer in das Thema Malerei einsteigen?
Ich glaube nicht. So simpel es klingt: Wenn man Malerei ernsthaft betreiben will, muss man malen. In der Zeit, in der ich hier sitze und Ihnen ein Interview gebe, sollte ich eigentlich mit dem Pinsel vor der Leinwand stehen. Am kommenden Dienstag beginnen die Dreharbeiten zu meinem neuen Film in New York. Mir fehlt einfach die Zeit.