Eines der Wortfelder, das am häufigsten im Kontext von Reproduktion aufgerufen wird, ist jenes der "Natürlichkeit". Die "natürliche" Geburt gilt als Ideal, das aber allzu oft an den Realitäten der Krankenhäuser scheitert. Was auch immer die "Natur" sein mag, sie sah vermutlich weder Saugglocke noch Milchpumpe bei ihrer "natürlichen" Einrichtung der Dinge vor.
Just diese Gegenstände, die im medizinischen Kontext der Reproduktion dienen oder eben jene verhindern sollen, stehen im Zentrum des Ausstellungsprojekts "Designing Motherhood" der Kuratorinnen Michelle Millar Fisher und Amber Winick in Zusammenarbeit mit dem Mütter Museum in Philadelphia und der Maternity Care Coalition (übrigens meint das passend betitelte "Mütter Museum" nicht die soziale Figur der Mutter, sondern den Namen seines Gründers Thomas Dent Mütter). Thematisch befasst sich das Museum mit den technischen und medizinischen Mitteln, mit denen dem Körper zu Leibe gerückt wird. Das Museum, fun fact am Rande, beherbergt auch Einsteins Gehirn. Mit "Designing Motherhood" schöpft es nun die semantische Breite seines Namens aus.
Alltägliches bleibt unsichtbar
Eine eher queerfeministische Lesart könnte den Ausstellungstitel als Provokation empfinden, weil hier Reproduktion, Verhütung und Gebären als "Mutterschaft" adressiert werden, worauf ja nicht selten entgegnet wird, auch Männer könnten gebären. Aber "Mutterschaft" wie auch "Frau" sind immer schon sprachliche Kategorien, die biologische Gegebenheiten und kulturelle Erwartungen überblenden.
Jedes Design, von der Einhandmilchpumpe bis zum klappbaren Kinderwagen, erzählt etwas über die Vorstellung von Mutterschaft. Die Ausstellung will das in Szene setzen, was so oft im Verborgenen bleibt - nicht zuletzt, weil es diskret, wenn auch nicht schmerzfrei in weibliche Körper geschoben wird. Dabei ist die Frage der Sichtbarkeit eine interessante: Denn Abermillionen (eigentlich Milliarden) von Frauen kommen tagtäglich mit den Gegenständen in Berührung. Sie entziehen sich aber der Sichtbarkeit für Männer und auf einer weiteren Ebene der Sichtbarkeit durch die Kultur – insofern, als sie eben nicht als Erzeugnisse einer Designgeschichte betrachtet werden.
Design kann Macht oder Ohnmacht verkörpern
Dabei gehört es zu den Pointen dieser Konstellation von Sichtbarkeit, dass die Designs nicht selten von Männern stammen. Als die Vorstellung der "Pinky Gloves", der "diskreten Lösung für Binden und Tampons", einen Shitstorm entfachte, reflektierte das jenes veränderte Verhältnis von Designern und Nutzerinnen.
Dass es sich nicht um eine abstrakte Beziehung zu den Gegenständen handelt, zeigt auch ein Beitrag der Kuratorin des Mütter Museums Anna Dhody. Sie spendete der Ausstellung ihre Verhütungsspirale. In dem winzigen Objekt verknoten sich hochpolitische Themen. Dhody erzählt auf ihrem Instagram-Account, dass sie sich nach der Geburt ihres ersten Kindes die Eileiter abbinden lassen wollte, der Arzt sich aber weigerte, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen. Auch Design-Objekte können von Macht und Ohnmacht erzählen. "Designing Motherhood" zeigt das eindrücklich.