"Es gibt Berufe, die mehr Schaden anrichten als der des Industriedesigners, aber viele sind es nicht." Das wichtigste Designbuch des 20. Jahrhunderts beginnt mit diesem drastischen Statement. "Design for the Real World" von Victor Papanek (1923–1998) ist polemisch, radikal und erklärt dem Müll der weltweiten Massenproduktion den Krieg. Design müsse zum innovativen und interdisziplinären Instrument werden, denn wir dürften unseren Planeten nicht länger mit schlecht gestalteten Objekten und Bauten verschandeln, schreibt der Autor sich in Rage.
Fast 50 Jahre nach seinem Erscheinen und 20 Jahre nach dem Tod Papaneks, des jüdischen US-Immigranten aus Wien, sind die Botschaften dieses Buches aktueller denn je. Das Vitra Design Museum richtet dem Pionier des sozialen Designs seine erste große Retrospektive aus.
Der Ausstellungsparcours verortet Papanek im Zeitgeschehen der bewegten 60er- und 70er-Jahre in den USA. Papanek arbeitete mit Frank Lloyd Wright und lehrte einen alternativen Designbegriff. Sein lebenslanger Mentor wurde der interdisziplinär arbeitende Architekt und Forscher Buckminster Fuller, der ihm zeigte, wie wichtig Synergien für die Kreativität sind. Er entwarf für Minderheiten, gegen Rassismus, für Inklusion. Das internationale Symbol für Barrierefreiheit, der weiße Rollstuhl auf blauem Grund, wurde während einer Summer School 1969 von seiner Studentin kreiert. Papanek arbeitete für Chemieunternehmen, die U.S. Army und trat als Dekan gegen einen Designkurs speziell für Frauen ein.
Gleichzeitig nutzte er seine Einflussmöglichkeiten und prägte Aktivisten einer neuen Generation. Zeitgenössische Positionen von Catherine Sarah Young oder Forensic Architecture durchbrechen die weiße, westlich-männlich dominierte Welt, der Papanek verhaftet war, frei nach seinem Motto: Design ist nie neutral.