Das bestätigten seine Galerien Sperone Westwater und Almine Rech. Giorno war ein zentraler Protagonist der New Yorker Kunstszene ab den 60er-Jahren. Er experimentierte mit Lyrik, Performance Art, Film und Malerei und wurde unter anderem mit seinen poetischen Schriftzügen auf farbigen Leinwänden bekannt.
1962 lernte Giorno Andy Warhol kennen und wurde zeitweise sein Liebhaber. Er ist auch der Protagonist in Warhols Stummfilm "Sleep", der John Giorno über fünf Stunden beim Schlafen zeigt. "Er liebte seine Superstars", sagte Giorno 2011 im Monopol-Interview. "Edie Sedgwick, mich, Ondine und all die anderen. Jeder von ihnen hatte eine begrenzte Zeit mit ihm, dann suchte er sich jemand anderen. Und die, die er verließ, beschwerten sich und sagten, sie seien ausgebeutet worden. Niemand wurde ausgebeutet! Es war ein fairer Deal. Sie wollten Superstars werden, er machte sie dazu und benutzte im Gegenzug ihre Ideen."
Aus der Verbindung in die Pop-Art- und Beat-Poeten-Szene rührte John Giornos Interesse, gefundene Elemente, neue Medien und Alltagskultur in seine Poesie zu integrieren. "Ich hatte Duchamp, Dada, die russischen Avantgardisten studiert, aber sie besaßen keine Wirkung auf mich", so Giorno gegenüber Monopol. "Andy und die anderen schon. Die Dichtung schien damals etwa 75 Jahre hinter der Malerei und Skulptur zurück. Bevor Andy die Factory hatte, wohnten wir in seinem Haus in der Lexington Avenue. Da hingen all die 'Car Crashes' und die 'Electric Chairs', und ich dachte: Das ist so großartig wie ein Monet! Und wir waren jung, ich war 24. Wir fanden uns großartig. Wie jeder in diesem Alter."
Unter anderem initiierte er in den späten 60er-Jahren seine wohl legendärste Aktion "Dial-A-Poem", bei der das Publikum eine Telefonnummer wählen konnte, um ein Gedicht vorgelesen zu bekommen. Eine Aktion, die man als frühe Form der "On-Demand"-Kultur sehen könnte, die unsere Gegenwart prägt. Außerdem gilt der Künstler als Wegbereiter des Poetry Slams.
Buddhismus und die Kunstavantgarde
Während seiner Karriere wandte sich Giorno immer wieder gesellschaftlichen Konflikten zu. Er war ein aktiver Sprecher der New Yorker Schwulenszene und engagierte sich im Kampf gegen Aids. Nach einer Reise nach Indien Anfang der 70er-Jahre wurde er aktiver Anhänger des tibetanischen Nyingma Buddhismus und suchte auch in seiner Kunst nach Transzendenz und einer Verbindung von fernöstlicher Spiritualiät und westlicher Kunst-Avantgarde.
Die New Yorker Galeristin Angela Westwater, die ihn vertrat, würdigte John Giorno als grenzenlos kreativen Künstler. Auf Instragram schrieb sie: "Danke, John, dass du deine bahnbrechende Kunst, deinen einnehmenden Charakter und deinen Lebenshunger geteilt hast."