Der Vater ein bekannter Kunsthistoriker, Ausbildung am renommierten Goldsmiths College in London, im zarten Alter von 23 Leiter des Handelsgeschäfts mit Kunst (des sogenannten Secondary Market) in Jay Joplings Londoner White Cube Gallery, teure Anzüge, Stammgast in den angesagtesten – und teuersten – Restaurants, nach fünf Jahren Selbstständigkeit ein Umsatz von knapp 100 Millionen Pfund. Was kann da schon schiefgehen? Alles, wie Inigo Philbrick gerade unter Beweis stellt.
Der 1987 geborene Kunsthändler war einige Monate unauffindbar, seine beiden Galerien in London und Miamis Design District sind geschlossen. Vergangenen Freitag wurde er auf der Südseeinsel Vanuatu von der FBI verhaften. am heutigen Montag soll er einem Bundesgericht in Manhattan vorgeführt werden. Nach Medienberichten könnte der Schaden im dreistelligen Millionenbereich liegen.
Ans Licht der Öffentlichkeit kam der Skandal Ende Oktober letzten Jahres, als die deutsche Firma Fine Art Partners von Daniel Tümpel und Loretta Würtenberger vergeblich die Herausgabe des Werks "All the Eternal Love I Have for the Pumpkins" von Yayoi Kusama einforderte. Im November hat ein britisches Gericht dann verfügt, dass Philbrick Kunst im Wert von umgerechnet 13,7 Millionen US-Dollar nicht aus England und Wales herausbringen dürfe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte seinen zahlreichen Geschäftspartnern klar geworden sein, dass der junge Mann ein zu großes Rad zu schnell gedreht hatte.
Schon im Sommer sollen einige seiner Geschäftspartner nervös geworden sein und auf Begleichung der offenstehenden Positionen gedrängt haben. Ab da tauchten immer mehr Geschichten auf, von gemeinsam mit anderen Händlern gekauften Kunstwerken, die nicht mehr auffindbar waren, mehrfach verkauften Arbeiten und unbezahlten Rechnungen.
Investment-Variante des Kunstmarkts
Man weiß gar nicht, wie viel Mitleid man einigen der Geschädigten zugestehen soll. Schließlich dürfte kaum jemand von ihnen um der hehren Kunst willen an den Geschäften beteiligt gewesen sein. Philbrick operierte in der Investment- Variante des Kunstmarkts, die von Hedgefondsmanagern, Rechnungsadressen in der Karibik und Kunstfonds geprägt ist.
Art Lending, die Kreditvergabe gegen Kunst als Sicherheit, hat Branchenschätzungen zufolge weltweit ein Volumen von über 20 Milliarden US-Dollar erreicht. Oft werden diese Kredite dazu verwendet, um wiederum Kunst zu kaufen, die dann schnell wieder verkauft – "geflippt" – wird.
Anders als in anderen Branchen der Finanzwelt herrscht im Kunstmarkt aber ein gewisser Widerwillen gegen schriftliche Verträge; Geschäfte werden oft per Handschlag geschlossen oder mit sehr kurzen schriftlichen Vereinbarungen verabredet. Kunst hinterlässt erstaunlich selten einen so gut dokumentierten Papertrail wie etwa Aktien oder gar Immobilien.
Das ist sicherlich mit ein Grund, warum immer mehr Personen aus der Finanzwelt im wenig regulierten Kunstmarkt mitmischen. Zudem locken bei Blue Chip und Emerging Artists bisweilen traumhafte Renditen. Mit dem Wachsen genau dieses Bereichs, in dem Briefkastenfirmen und Art Banking eine führende Rolle spielen, dürften Skandale und Betrügereien in Zukunft eher zu- als abnehmen. Trotz aller Bemühungen um Transparenz im Kunstmarkt.