Goethes Faust erschrickt, als Mephisto im zweiten Teil der Tragödie von den "Müttern" spricht. In ihrem Reich wohnen die ursprünglichen Schöpfermächte. Mit Windeln oder Babysocken hat das Ganze also nichts zu tun; Goethe bezieht sich auf die Weltenmütter der griechischen Mysterien, auf Rhea, Demeter und Proserpina.
Es ist ein bisschen wie im Horrorfilm. Da kommen Mütter ins Spiel – von "Psycho" bis "Alien", die jedem halbwegs positiven Mutterbild widersprechen. Andy Hope 1930 zeigt auf der Kunstbiennale von Venedig auf dem Bild "Mother" (2017) eine Figur, von der weder warmer Haferbrei noch tröstende Worte zu erwarten sind.
Auf den Filmfestspielen wurde Darren Aronofskys Beitrag "Mother!" ausgebuht. Was nicht an der sympathischen Titelfigur lag, die von Aronofskys neuer Lebensgefährtin Jennifer Lawrence gespielt wird. Der Horror besteht in dem, was dieser Frau passiert, die Handlung ist konsequent aus ihrer Perspektive erzählt. Sie lebt mit ihrem Mann, einem Dichter (Javier Bardem) in einem abgelegenen viktorianischen Haus. Ihr geltungssüchtiger Mann lässt es zu, dass immer mehr fremde Leute die Zweisamkeit stören. Erst fällt eine verrückte Familie mit der Tür ins Haus, später kommt es zu einer regelrechten Invasion des Landsitzes. Doch Bardem fühlt sich auch dann noch geschmeichelt, wenn aus Übergriffen Mord und Totschlag werden. Diese Art von surrealem Trip, in dem Lawrences Figur das Schlimmstmögliche zustößt, was einer Mutter passieren kann, muss man mögen. Als Genrefilm fand ich ihn hinreißend.
Einmal abgesehen davon, ob er in Venedig einen Preis bekommt – eher nicht –, kann man diesen echt monströsen Film nicht jedem empfehlen. Es ist amoralisches Kino, ein in Bewegung gesetztes Gemälde von Hieronymus Bosch. Wer sich trotzdem traut: ab 14. September läuft "Mother!" in den Kinos. jh