DC Open

10 Highlights des Kunstwochenendes in Köln & Düsseldorf

Michail Pirgelis "China Girl", 2019
Foto: Mareike Tocha, Courtesy: Kunsthalle Köln 2019

Zu sehen in der Kunsthalle Köln: Michail Pirgelis "China Girl", 2019

Ein Wochenende, zwei Städte, 50 Galerien und mehr Kunst, als ein Mensch sehen kann: Hier kommen unsere Highlights aus dem Programm der DC Open in Köln und Düsseldorf 

KÖLN

Gruppenausstellung "RAW" in der DuMont Kunsthalle

Da ist zum einen das Gebäude: Die gigantische DuMont Kunsthalle am Nieler Hafen war in der 80ern ein zentraler Ort der rheinischen Kunstszene, hier stellten zum Beispiel Marina Abramovic oder Nam June Paik aus. Seit über 30 Jahren wird die Halle aber nicht mehr bespielt und verfällt langsam. Lena Ipsen, die normalerweise für den Estate of Martin Kippenberger der Galerie Gisela Capitain arbeitet, hat hier jetzt eine Gruppenschau mit jungen Düsseldorfer und Kölner Künstlerinnen und Künstler kuriert, mit Peppi Bottrop, Anne Haack, Tobias Hoffknecht, Sarah Kürten, David Ostrowski, Michail Pirgelis, Sami Schlichting und Jasmin Werner. Gezeigt werden deren Arbeiten (viel Malerei) an, auf und in Schiffscontainern. Ein großartiger Effekt: In den Bauch eines dieser Containers gehen und da im Dunkeln allein mit der Arbeit sein. 

David Ostrowskis Gemälde "Lieber nackt als Gefühlsleben zeigen", 2019, präsentiert an einem Schiffscontainer
Foto: Mareike Tocha Courtesy: Kunsthalle Köln 2019

David Ostrowskis Gemälde "Lieber nackt als Gefühlsleben zeigen", 2019, präsentiert an einem Schiffscontainer

Die neuen Räume der Galerie Drei

Die Galerie Drei ist in die Jülicher Strasse 14 gezogen, einst bespielt von der Galerie BQ, die seit langem in Berlin sitzt. Passenderweise heißt die erste Ausstellung "Haus", aber die Arbeiten von Horst Ademeit, Rosa Aiello, Henri Chopin, Whitney Claflin, Cédric Eisenring, Tobias Madison, Sam Pulitzer und Julia Scher zeigen eher das Unheimliche als das Heimelige der häusliche Sphäre. Hier wuchern Obsessionen und lauert die kalte Isolation.


Gabi Dziuba "Alley Oop" bei Kaune Contemporary/Nagel Draxler

In einer ehemaligen Kapelle breitet die Schmuckdesignerin Gabi Dziuba ihren Kosmos aus: Anhänger in Form von Streichhölzern, Schwertern, Nieren, aus Baumarktmaterialien und Gold und Silber; Schmuck-Kollaborationen mit Künstlern wie Andy Hope 1930, Dirk Bell, Monika Baer und Heimo Zobernig; Kerzenständer von weiteren Künstlern, die als Edition von Dziuba und dem Wiener Museum Moderner Kunst herausgegeben wurden; schließlich Malerei und Zeichnungen aus der Sammlung der Designerin, häufig mit direkten Bezug zu ihr. Günther Förgs Bild "Gabi" von 1982 etwa, kraftvoll und direkt wie eine Flagge. 

Installationsansicht Gabi Dziuba "Alley Oop", Kaune Contemporary in Köln
Courtesy Galerie Nagel Draxler und Galerie Kaune, Foto: Evelyn Haack

Installationsansicht Gabi Dziuba "Alley Oop", Kaune Contemporary in Köln


Alexandra Hopf und Regine Steenbock in der Galerie M29 – Richter

Wie Mode zum Bild wird, darum geht es auch bei Alexandra Hopf. Sie zeigt Variationen eines "Spacetime suits for Giacometti": Overalls nach Entwürfen des futuristischen Designers Thayaht von 1920 aus eigener Malerei geschneidert und mit Bezug zu einem surrealistischen Prosastück von Alberto Giacometti. Beziehungsreiches Gewebe auch in den fotografischen und filmischen Arbeiten von Regine Steenbock, die in China Kleidungen zwischen Tradition und Hyperkapitalismus findet. Zur Ausstellung erscheint die erste und einzige Ausgabe der lehrreichen Modezeitschrift "Voque". Kaufen!

"Spacetime suits for Giacometti" von Alexandra Hopf

"Spacetime suits for Giacometti" von Alexandra Hopf

Lutz Bacher “Firearms”, Galerie Buchholz

Es vergeht kaum ein Monat mehr, in dem nicht von einem Amoklauf oder Terrorakt mit Schusswaffen in den USA gemeldet wird, gefolgt von einer Diskussion um die Einschränkung des Waffenrechts. Wenn man die Ausstellung der US-Künstlerin Lutz Bacher in Köln sieht, muss man daran denken: Die Serie "Firearms" besteht aus 58 Pigmentdrucken, die Modelle von Feuerwaffen zeigen. Die Bilder und Beschreibungen aus einem Buch sind nüchtern verfasst, ja, die Schönheit und Effizienz der Technik vermittelt sich durchaus. Die ästhetisierende Darstellung des Buches löst sich von moralischen und politischen Fragen, die nun, durch die Kunstwerdung, wieder ins Spiel kommen und umso härter treffen. Lutz Bacher stellte das Konzept zu "Firearms" einen Tag vor ihren tödlichen Herzinfarkt im Mai fertig. Jetzt wirkt die Arbeit wie ein Vermächtnis.


Düsseldorf 

Marcel Dzama "Be good little Beuys and Dada might buy you a Bauhaus" bei Sies & Höke

Was für ein Reichtum an Ideen, welche überbordende Fantasie! Eigentlich dachte man, man würde das Dzama-versum lange kennen (es ist die achte Ausstellung in der Galerie), und doch haut es einen sofort wieder um. Allein die Gouache "Bam, bam bam, bam, bam, or thank you for your Thoughts and Prayers" im ersten Raum, ein Bild, das aussieht wie eine Illustration zu einem düsteren Traum, aber doch ganz eindeutig die Waffengewalt in den USA zum Inhalt hat. Klimawandel, Trump, Notre-Dame-Brand, Drogenhandel – all das ist in den doch so märchenhaften Zeichnungen und Keramiken zu entdecken. In was für surrealen Zeiten leben wir eigentlich?

Marcel Dzama "Bam bam bam bam bam. or Thank you for your Thoughts and Prayers", 2019
Courtesy der Künstler und Sies + Höke, Düsseldorf; Foto: Simon Vogel

Marcel Dzama "Bam bam bam bam bam. or Thank you for your Thoughts and Prayers", 2019

Tim Freiwald "Double Hard Drive" in der Galerie Conrads

"Freiwald ist ein dekonstruktivistischer Farbmaler", heißt es lapidar im Pressetext, doch die Malerei des Thomas-Scheibitz-Schülers sind ziemlich komplex: vielschichtige, teilweise "zerstörte" Bildträger, zerbrechlich und doch voller Energie, gemalt mit so vielfältigen Materialien wie Kreide, Pigment, Bindemittel, Lack und Wachs. Hier kann man lange schauen. 

Tim Freiwald "Major Affair", 2019
© CONRADS Düsseldorf

Tim Freiwald "Major Affair", 2019

Edith Dekyndt bei Konrad Fischer

Dass es hier gar keine Infos gibt zur Ausstellung, verstärkt die Irritation. Die belgische Künstlerin arbeitet mit Kühlschränken, Tiefkühltruhen, Markisen, kitzelt aus Konsumgegenständen den Appeal der Minimal Art und den Horror des Alltäglichen heraus. Es sind kleine Gesten mit großem Effekt: ein Faltenwurf, ein offenbar durch Vergrabung in der Erde geriffeltes Textil, ein Eisblock und ein Teppich aus Scherben – Sensationen. Fast eine museumsreife Ausstellung.  

Edith Dekyndt "Underground Berlin Summer", 2019

Edith Dekyndt "Underground Berlin Summer", 2019


Jugoslav Mitevski  "verstimmt" in der Petra Rinck Galerie

Noch ein (de-)konstruktivistisch arbeitender Künstler auf dieser an abstrakter Malerei und Minimal Art reichen DC-Open-Ausgabe: Jugoslav Mitevski baut aus Styroporverpackungen Vorlagen für Skulpturen, die er dann in Beton gießt und durch Verschraubungen zusammenhält. Das Urspungsmaterial Styropor ist immer noch in den fertigen Arbeiten erkennbar und verweist auf eine Kultur des Wegkonsumierens und Wegschmeißens, die dem potentiellen Ewigkeitsanspruch eines Kunstwerks entgegensteht. 

Petra Rinck Galerie: Jugoslav Mitevski "Ohne Titel", 2019
Foto: Jugoslav Mitevski, Courtesy der Künstler und Petra Rinck Galerie

Petra Rinck Galerie: Jugoslav Mitevski "Ohne Titel", 2019

Keltie Ferris "U_N_D_E_R_S_C_O_R_E" bei Kadel Willborn

"Als Maler ist es das Schönste, wenn die Menschen in deinen Bildern etwas anderes sehen als das, was du beabsichtigt hat", sagte die US-Malerin Keltie Ferris vergangenen November im Monopol-Porträt. Jetzt zeigt sie neue Malerei und Zeichnungen. Die Bilder sind gesprayt, gemalt, verwischt, die Bildträger collagiert, einige zeigen den Abdruck ihres Körper und schlagen damit eine Brücke zur Performance- und Body-Art. Jede und jeder ist eingeladen, darin etwas anderes zu sehen. 

Keltie Ferris "Weave/Cleave", 2019
Courtesy the artist and Kadel Willborn, Düsseldorf

Keltie Ferris "Weave/Cleave", 2019