Die Rheinland-Solidarität ist stabil – zumindest in der Kunst. Zum 16. Mal starten Köln und Düsseldorf beim DC Open gemeinsam in die neue Kunstsaison. Es ist eine Herausforderung, alle 50 Galerien an einem Wochenende zu schaffen, aber immerhin liegen viele fußläufig voneinander. In Düsseldorf-Flingern zum Beispiel, wo sich die Birkenstraße als erste Zieladresse anbietet. Bei Linn Lühn zeigen Keta Gavasheli und Andria Dolidze aus Georgien ihre erste Galerieausstellung nach dem Abschluss an der Düsseldorfer Kunstakademie. Beide sind bereits in verschiedenen Institutionen im Rheinland aufgefallen, Keta Gavasheli mit installativen Arbeiten und Performances, Andria Dolidze als Maler, und immer wieder auch in Kollaborationen.
Eine Tür weiter hat Petra Rinck die Galerie Krobath aus Wien zum Galerientausch geladen. Während Sofie Thorsen mit der Schlagschnur und losem Pigment Linien direkt in den Ausstellungsraum zeichnet, liegt die Bewegung in den Skulpturen von Melanie Ender direkt im Material, das sie zu feinen gestischen Objekten biegt, formt, schleift oder schneidet. Bei Jenni Tischer fließt das Material in Form von diagrammatischen Daten in ihre Installationen und Bilder ein.
Auch bei Gabriele Beveridges Ausstellung "Blood Moon" in den Räumen von Cosar steht das Material im Vordergrund der Arbeit, hier mundgeblasenes Glas, Marmor und Metallständer, die eigentlich zur Präsentation von Kleidung in Boutiquen dienen. Beveridge spielt mit der Bildsprache kommerzieller Beauty-Werbung und den verführerischen Strategien und bekannten Codes der Warenwelt zugunsten einer neuen, uneindeutigen Ästhetik.
Boa-Basedonart hat sich ganz der Kunst aus Asien verschrieben, hier stellt die 95-jährige in Düsseldorf lebende japanische Künstlerin Takako Saito aus, eine wichtige Vertreterin der Fluxus-Bewegung. In der Ausstellung "Play the Game" werden zwei ihrer berühmten Schachspiele von 1975 gezeigt, in denen an die Stelle von hierarchisch aufgestellten Figuren Würfel und Objekte treten, die alle Sinne ansprechen.
Sinnlich geht es auch in der Ausstellung "I Can’t Unsee" und den großformatigen Bildern von Jagoda Bednarsky bei Van Horn zu, die mit dem Motiv der weiblichen Brust kosmische körperlose Landschaften verbindet und darin so selbstverständlich mit den Themen Mutterschaft und Künstlerinnendasein umgeht, wie man es gerne öfter erleben würde.
Auch in den neuen Arbeiten von Sabrina Fritsch, die bisher mit streng geometrischen und sehr minimalistisch-abstrakten Malereien bekannt geworden ist, steht der weibliche Körper im Fokus, zu sehen bei Schönewald. Wie auch in ihren großen Rasterbildern spielt die Idee der Variation durch Wiederholung von Form, Material und Motiv eine zentrale Rolle. Bei Konrad Fischer spannt K.R.M. Mooney in der Gruppenausstellung "esprit" ein generationsübergreifendes Netz von Künstlerinnen und Künstlern, die sich ausgehend von der Konzeptkunst, dem Fundament dieser traditionsreichen Galerie, in den verschiedenen Räumen ausbreiten und miteinander in Beziehung bringen.
In der Altstadt lohnt ein Abstecher zu Anna Laudel, wo die türkische Künstlerin Ardan Özmenoğlu neue Arbeiten zeigt. Auf zwei Etagen hat sie es mit ihrer Sammlung von Neon- und Glasskulpturen sowie ihren ganz eigenen Post-it-Collagen auf die Interaktion mit dem Publikum angelegt, wie auch der Titel der Ausstellung "Du und Ich" betont.
Sies + Höke ist mit gleich drei Ausstellungen vertreten: In der Hauptgalerie sind neue Malereien und ein großes Wandgemälde von Sophie von Hellermann zu sehen, die ihre luftig-bunten Bilder einmal selbst als "gigantische Seifenblasen" bezeichnet hat – man ist geradezu versucht, sie zum Platzen zu bringen, um die ernsten Geschichten unter dem pastellig-schönen Schein hervorzubringen.
In der zweiten Ausstellung können wir in die immersive Videoinstallation der Künstlerin Emilija Škarnulytė eintauchen und uns von einer posthumanen Chimäre vom Amazonas über die tropischen Wälder von Costa Rica bis hin zu unheimlichen Nachkriegsruinen leiten lassen. Und im Projektraum Caprii wird die New Yorker Malerin Olivia van Kuiken ihre erste Ausstellung in Deutschland mit einer großen Wandarbeit eröffnen.
In Köln kann man sich wunderbar vom Hauptbahnhof entlang der Galerien Buchholz und Nagel Draxler in Richtung Belgisches Viertel vorarbeiten, wo die meisten Galerien auf engem Raum zu finden sind. Bei Buchholz wird zum DC Open mit Isa Genzken aufgefahren – im Mittelpunkt steht die Installation "Untitled, 2015", die kürzlich noch in der Neuen Nationalgalerie zu bewundern war.
Um die Ecke bei Nagel Draxler widmet sich der Künstler und Autor Kenny Schachter in der Ausstellung "Phone Face" dem Einfluss von Instagram auf die Arbeit von Künstlern, Kuratorinnen, Museen und Galerien. Auf dem Weg liegt als Nächstes die Galerie Gisela Capitain, wo Lukas Quietzsch erstmals ausstellt. Seine großformatigen Gouache-Gemälde sind auf eine ungreifbare Art faszinierend, er spielt mit dem Gefühl von "Das erinnert mich an …" und sorgt mit seinen fast gleichen Bildpaaren für weitere Verwirrung, aber auf eine gute Art.
Auch bei den Skulpturen und Malereien von Martin Gerwers bei Philipp von Rosen, einen Katzensprung entfernt, muss man manchmal zweimal hinschauen, um zu ergründen, was nun Raum, was Fläche, was optische Täuschung und räumliches Vexierspiel ist.
Eine Entdeckung sind die Öl-auf-Papier-Malereien der jungen Düsseldorfer Akademieabsolventin Pauline Rintsch bei Fiebach, Minninger. Oft hält sie zwischenmenschliche Momente aus ihrem Umfeld fest, transparent-kreidige Körper, die ganz mit sich und ihrer unmittelbaren Umgebung beschäftigt sind. Die junge Galerie DOD möchte mit Basil Beattie einen etwas in Vergessenheit geratenen Künstler ehren, der im kommenden Jahr 90 wird.
Spuren von Abstraktem Expressionismus sind in seinen Werken auch heute noch zu sehen, wenngleich er die reine Abstraktion zugunsten einer eigenen, sehr erdigen Farb- und Formensprache aufgegeben hat, die oft architektonische Elemente wie Treppen, Bögen oder Fenster enthält. Größer könnte der Kontrast zu den Kreaturen von Mary-Audrey Ramirez bei Martinetz nicht sein, die als Sci-Fi-Fabelwesen irgendwo zwischen Amphibien und Drachen, Videospiel- und Urzeitästhetik schwirren.
Getarnt als Zirkusszenen, zerlegt Juan Pérez Agirregoikoa in seiner Schau "Western Perfection – Westliche Perfektion" bei Clages die Arroganz der westlichen Großstaaten. Ballerinen, Musikanten und Clowns, die den Kopf bereits in der Schlinge tragen, dienen als Abziehbilder für die erstarkenden faschistischen Gedanken, die in diesen Gesellschaften wachsen, sobald die heile Welt des Kapitalismus von Krisen durchgeschüttelt wird.
Auch die Porträts von Tobias Spichtig bei Jan Kaps offenbaren ihre tiefer liegende Ebene bei genauerer Betrachtung. Die Konterfeis von Freunden, aber auch von Berühmtheiten wie Andy Warhol oder Bella Hadid sind für ihn ein Mittel, um über die Verkleidung und Darstellung von Körpern nachzudenken, im malerischen wie im psychologischen Sinne. Bei Drei einmal ums Eck stellt Julia Scher die Reinszenierung einer Werkserie von 2000 aus, die auf Mikrowellenöfen basiert. Lange bevor vordergründig intelligente Smarthomes und allzeit trackende Smartphones unseren Alltag bestimmten, sah Scher das Potenzial und die Gefahr der ständigen Überwachung, die Mikrowellen als Transmitter von Daten innewohnen könnten.
Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol 9/2024.