David Hockney geht mittlerweile um 21 Uhr ins Bett, gönnt sich nur einen Joint und ist beinahe taub. So sehr Hockney die Exzesse unter Kaliforniens Sonne früher genossen hat, seine Arbeitsmoral ist ihm bis heute am wichtigsten: "Ich dachte, ich sei damals ein Hedonist gewesen, aber wenn ich zurückblicke, habe ich immer gearbeitet", gestand er dem "Guardian". "Ich arbeite jeden Tag. Ich gebe nie Partys." Seit den 60er Jahren lebt er mal in Großbritannien, mal in Los Angeles, wo sein Haus mit der blauen Terrasse und den roten Blumentöpfen steht, das er in so vielen Bildern verewigt hat. Am Sonntag (9. Juli) feiert er seinen 80. Geburtstag.
Geboren wird er kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in eine Arbeiterfamilie in East Yorkshire. Der spätere Star wächst in den Hungerjahren der Nachkriegszeit auf und zeichnet überall: auf alte Bustickets, Zeitungen, selbst Deckblätter im Gebetbuch. Seine willensstarke Mutter verbietet ihm nur, auf die Tapeten zu malen. Sein Vater ist radikaler Nichtraucher. Hockney rebelliert: Bis heute hat er immer eine Zigarette zwischen den Fingern hängen.
Die Flucht ins Kino wird zur lebenslange Leidenschaft, sein Lieblingsmusical ist "Singin' in the Rain". Als er Anfang der 60er Jahre nach seiner ersten Einzelausstellung von London nach Hollywood zieht, freundet er sich mit dem Starregisseur Billy Wilder an und porträtiert ihn und dessen Frau in einer überdimensionalen Polaroid-Collage.
Kalifornien bietet ihm privat wie als Maler ungewohnte Freiheiten. Hockney malt mit Licht und starken Farben; seine Schwimmbadbilder spiegeln die sorglose und unkonventionelle kalifornische Lebensart wieder wie "Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)" von 1972, oder "Peter Getting Out of Nick's Pool" von 1966.
Hockney macht nie ein Geheimnis daraus, dass er schwul ist, selbst als Homosexualität in Großbritannien noch illegal ist. Beim Studium an der besten Kunsthochschule des Landes malt er zwei Jungs, die sich umarmen. Ein kinderähnliches Gekritzel, verziert mit den Worten "We Two Boys Together Clinging". Seine Lehrer kommentiert damals nur trocken: "Ich hoffe, Sie kommen sich nicht noch näher." Auch in den 80er Jahren, als viele Freunde seiner an Aids sterben, bleibt er seinen lebensfrohen Motiven treu – vielleicht um dem Tod etwas entgegenzusetzen?
Kritiker bemängeln, dass seine Bilder nur an der Oberfläche bleiben und nicht die Ereignisse des 20. Jahrhunderts widerspiegeln, nicht in die Tiefe gehen. Doch Hockney wollte das nie: "Ich möchte ein Bild machen, das für viele Leute eine Bedeutung hat", sagte er 1988. "Ich denke, die Idee, Bilder für 25 Personen in der Kunstwelt zu machen, ist verrückt und lächerlich."
Hockney experimentiert mit neuen Techniken, mal mehr, mal weniger erfolgreich: dreidimensionale Collagen, Fotokopien, iPad-Fingermalereien. Aber all diese Techniken dienen nur einem Ziel: Zeit sichtbar zu machen. "Wir sehen durch die Zeit. Es gibt etwas, was du als erstes siehst, dann eine zweite Sache, eine dritte, eine vierte - durch die Zeit, der wir nicht entkommen können", erklärte er einst im "Telegraph". "Das Foto sieht geometrisch, und wir müssen psychologisch sehen." Er wird einer der Pioniere der "Selfies": Vor allem in den 80ern zeichnet, malt und fotografiert er sich in vielen stilisierten Selbstporträts.
2012 hat er einen Schlaganfall, den er erst bemerkt, als er Sätze nicht mehr beenden kann. Er hat Glück, kann weiterhin malen. Fünf Monate später stirbt sein Assistent in seinem Haus in East Yorkshire, ein Schock. Präzise, melancholisch gibt Hockney danach eine von Bäumen gesäumte Straße in seiner Heimat wieder; erst als Serie von Kohlezeichnungen, dann als kolossale, lichtdurchlässige und farbenfrohe Landschaften - "The Arrival of Spring" (dt: Die Ankunft des Frühlings).
Auch mit 80 begeistert er: Die Retrospektive seines Werks in der Tate Britain brach alle Besucherrekorde. Die Ausstellung ist derzeit im Pariser Centre Pompidou zu sehen und danach in New York.