David Bowie suchte Kunst, die auf ihn wirkte wie ein guter Rocksong. Beispielsweise von Frank Auerbach: "Mein Gott, ja! Ich will so klingen wie das hier aussieht", sagte der Pop-Avantgardist über das Werk des 1931 in Berlin geborenen britischen Malers. Oder Bilder von Jean-Michel Basquiat (1960-1988) – der Stil des Afroamerikaners sei "so eng mit Rockmusik verbunden ist wie bei wenigen anderen Künstlern".
Gemälde von Auerbach und Basquiat sind Hauptlose aus Bowies großer Kunstsammlung, die an diesem Donnerstag und Freitag vom Londoner Auktionshaus Sotheby's versteigert wird. Zehn Monate nach dem Krebstod des Sängers und Sound-Erfinders mit 69 Jahren stehen gut 350 Werke im Schätzwert von rund 15 Millionen Euro zur Auswahl. Allein in London, Bowies Geburtsstadt, nahmen innerhalb einer Woche mehr als 24.000 Menschen an Vorbesichtigungen teil. Auch in Los Angeles, New York und Hongkong zog die Schau Massen an.
Zu ersteigern gibt es nun Basquiats Werk "Air Power" für mindestens drei Millionen Euro als teuerstes Angebot, aber auch Kunstobjekte für drei- oder vierstellige Beträge.
Dass der Musiker ein dem Bauchgefühl folgender Verehrer unterschiedlichster Kunst war, aber auch ein profunder Kenner, das macht "Bowie/Collector" nun sehr deutlich. "Kunst war, ganz ernsthaft, das Einzige, was ich jemals besitzen wollte. Es war für mich immer eine unentbehrliche Nahrung", sagte Bowie 1998 der "New York Times" über seine Leidenschaft.
Britische Kunst von Auerbach, Henry Moore und Damien Hirst bildet einen Schwerpunkt der von Bowies Nachlassverwaltern in Auftrag gegebenen Auktion, deren Erlös seiner Familie um Witwe Iman und zwei Kinder zugute kommen soll. Vor allem in den 90er-Jahren entwickelte sich Bowie zum enthusiastischen Sammler jenseits des Mainstreams. "Er kaufte, weil er eine persönliche Verbindung zu den Objekten spürte", sagt Expertin Lydia Wingfield Digby.
Das konnte moderne Skulptur aus Südafrika sein, Design des Italieners Ettore Sottsass, Druckgrafik des Expressionisten Erich Heckel und Objektkunst von Marcel Duchamp. Gerade bei diesem Avantgardisten des Dadaismus und Surrealismus verspürte Bowie Parallelen zu seinem eigenen Künstlerleben: "Ich war glücklich, der Duchamp des Rock zu sein. (...) Er war alles für mich, weil er sagte, dass die Kunst tot sei. Diese Aussage war so mutig."
Seit seiner Londoner Kindheit in den 50er- und 60er-Jahren soll sich Bowie für Kunst interessiert haben. 1971 traf der junge Glamrocker den Pop-Art-Übervater Andy Warhol (den er 25 Jahre später im Film "Basquiat" darstellte). Die "Berliner Jahre" 1976 bis 1978 waren von Bowies Begeisterung für Bilder aus dem Brücke-Museum geprägt - Werke von Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Otto Müller ließ er in Songs und Plattencover von "Heroes" einfließen.
Als "malerische Klänge, die die Welt vorher noch nie gehört hatte", bezeichnet U2-Sänger Bono im Auktionskatalog-Vorwort das Sounddesign des berühmten Berliner Albums "Low". Zu dieser Zeit, so erinnert sich Soundingenieur Eduard Meyer, war Bowie bereits selbst als Maler aktiv: "Immer war eine Staffelei in der Nähe" - in der gemeinsamen Schöneberger Wohnung malte der Brite beispielsweise seinen amerikanischen Rock-Kollegen Iggy Pop.
Später war Bowie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift "Modern Painters" und interviewte in dieser Funktion Maler wie Jeff Koons, Tracey Emin oder Balthus. Die eigene Kunstsammlung nahm seit den 90er-Jahren solche Ausmaße an, dass sich die Familie nun von hunderten Werken trennt. Finanziell nötig hätte sie es wohl nicht – das Erbe des geschäftstüchtigen Musikers betrug dem britischen "Guardian" zufolge weit über 100 Millionen Euro.
Die Entscheidung für eine spektakuläre Kunstauktion könne kaum ohne Bowies Zustimmung vor seinem Tod am 10. Januar gefallen sein, meint Tobias Rüther. "Ich bin mir absolut sicher: Da ist nichts dem Zufall überlassen", sagte der Autor ("Helden. David Bowie und Berlin") der Deutschen Presse-Agentur. Der Star habe eine weithin unbekannte Seite seiner Persönlichkeit zeigen wollen. "Wir sehen bei der Versteigerung etwas Privates, wie wir es in den letzten Jahren selten von Bowie gesehen haben", so Rüther. "Er gibt etwas preis von sich – seine Bilder. Er schenkt uns einen weiteren Einblick in sein Innenleben."