Kunstverein München

Dauerangriff aufs Ich

Es gibt Menschen, die haben die Frage „Do you love me?“ noch nie jemandem gestellt. Aus Angst vor der Antwort, oder weil sie so etwas für viel zu kitschig halten. Für alle anderen gibt es Lutz Bacher. Die amerikanische Künstlerin, die ihre wahre Identität geheim hält, erarbeitet seit ungefähr vier Jahrzehnten ein künstlerisches Gesamtwerk, das radikal die gängigen Konventionen zur Diskussion stellt. In den achtziger Jahren als „mysteriöse kalifornische Konzeptualistin“ abqualifiziert, hat sich Bacher durch mehrfachen Stil- und Methodenwechsel den Klassifizierungsanstrengungen des Marktes geschickt entzogen - und damit der Wahrnehmung durch eine breitere Öffentlichkeit widersetzt. Während eine Einzelausstellung im PS1 in New York in diesem Sommer das Interesse in den USA anfacht, bietet der Kunstverein München jetzt die erste Gelegenheit in Europa, die Künstlerin aus Berkeley, Kalifornien näher kennen zu lernen.
 
Gebrochene Identitätsentwürfe stehen im Fokus ihrer aktuellen Arbeiten. In „Red Gaps“, einer Serie von großformatigen Farbfotos, verarbeitet sie die Werbewelt in irritierenden Doppelbelichtungen. „Boyfriends“, zwei rohe Schaufensterpuppen, stehen entblößt und käuflich vor dem Betrachter. Die wandfüllende, monochromatische Kreidezeichnung „Blue Infinite – I Just Called To Say I Love You“ trifft unsere alltäglichen Sehnsüchte. Verdichtet zeigt sich die Erzähl- und Welthaltung Bachers in dem 3-Kanal-Video „Sea of Love“. Hier wird der Topos des American Dream verhandelt.
 
Kopierte Filmszenen, eigene Handycam-Aufnahmen und Zeichentrickbilder ergeben eine nicht-lineare, sich rhythmisch vervielfältigende Geschichte des rätselhaften Wollens und Scheiterns. Der Soundtrack aus Populärmusik, Sprachfetzen und Lärm rahmt den alten, neuen Alptraum: Die brutale Medialisierung unserer Träume ist ein Dauerangriff auf unser Ich. Lutz Bachers Objekte schärfen und verunsichern die Sinne gleichzeitig. Wann wird man die Frage „Liebst Du mich“ wieder annehmen können, ohne mit der Wimper zu zucken?


Kunstverein München, bis zum 13. September 2009