Wenn sich bei den Öffentlich-Rechtlichen ein Prime-Time-Fernsehfilm der benachteiligten Bauhaus-Frauen annimmt, dann ist das vor allem eine Chance für die üblichen Verdächtigen: Regie, Drehbuch, Kamera und Produktion bleiben in Männerhand. Weil die Herren nun mal besser sind? Daran kann man nur zweifeln, angesichts einer derart glatt gebügelten Schmonzette, der vor lauter Emotionalisierung jede Tiefenschärfe abgeht. Kein Wunder, sind doch die Auftraggeber mit Produzent Nico Hofmann mal wieder auf Nummer sicher gegangen. Auf sein Konto gehen mitunter beängstigend revisionistische Historienepen wie "Dresden", "Die Luftbrücke", "Die Sturmflut", "Das Wunder von Berlin", "Hindenburg", "Rommel" oder "Unsere Mütter, unsere Väter", - allesamt in der Machart kaum zu unterscheidende Quotenvehikel, die sich den Anschein des Qualitätsfernsehens verpassen, eigentlich aber nur einem Credo gehorchen: Ändere kein Rezept, solange der Kitsch selbst die Avantgarde zur Strecke bringen kann.
Während Gropius, Schlemmer und Itten unter ihrem Namen auftreten, ist die Hauptfigur Lotte gerademal so fiktional angelegt, dass man sie als Alma Siedhoff-Buscher identifizieren kann, Schöpferin von handlichem Holzspielzeug und multifunktionalen Kinderzimmermöbeln. Für eine dramaturgisch zugespitzte Handlung ist das aber offenbar unerheblich. Ein Konflikt muss her mit dem obersten Meister persönlich. Lotte wächst dank der Frauensolidarität von Ilse (Fehling?), Anni (Albers?) und Friedl (Dicker?), die in "Unsere Mütter, unsere Väter" nicht weiter auffallen würden, (die auf unzähligen Bauhaus-Fotografien vertretenen Kurzhaarschnitte, androgynen Physiognomien und Krawatten sind bei den Mädels ohnehin Mangelware), über sich hinaus. Sie verbringt aber auch mindestens genauso viel Zeit in den Armen ihres Lovers, der sie bei jedem ihrer emanzipatorischen Schritte so mitfühlend unterstützt, dass man sich die Augen reiben möchte.
Siedhoff-Buschers Biografie versandete zwar nach dem Besuch des Bauhauses in den Verliesen der Kindererziehung. Lotte ist aber aus einem anderen Holz geschnitzt. Sie kämpft sich nicht nur in die Architekturklasse hoch, auch wenn die reale Genderpolitik dieses Manöver nicht vorsah und streitet mit Gropius so lange um ein lukratives Bauprojekt, bis dieser die mindere Qualität seines Entwurfs einsieht und ihr ritterlich die Zusammenarbeit anbietet. Als wäre dieses Wunder nicht aufgesetzt genug, findet das Lottchen zwischen aufsteigendem Antisemitismus, zermürbenden Richtungskämpfen des Schulpersonals und wachsenden Anfeindungen gegen die Schule zum ultimativen Happy End. Mögen die Schlägertruppen der Nazis schon vor der Tür stehen, das Liebespaar findet nach Seitensprung, Tränen, Schlägen und anderen Sensationen unter Geigen- und Klimperklavier-Getöse wieder zusammen.
Relevante Erkenntnisse, man mag es kaum glauben, liefert in der Doku-Zugabe dann doch eine Frau. Susanne Radelhof wartet mit faszinierenden Original-Filmaufnahmen von Studenten auf, verwebt Tagebuch-Eintragungen mit atmosphärischen Fotografien, befragt Nachfahren und erzählt wie es dazu kam, dass Frauen, obwohl mit ihren Produkten auf dem Markt überaus erfolgreich, allmählich in die Textilklasse zurückgedrängt wurden. Nicht zuletzt begleitet sie mehrere Bauhäuslerinnen über die Machtergreifung der Nazis hinaus auf ihrem Weg ins Vergessen. Manche starben im Bombenhagel, andere in Auschwitz. Die Migration gewährleistete für viele das Überleben, nicht aber die Überwindung der Rollenbilder. Das sind die Dramen, über die es sich zu schluchzen lohnt.