Hätten Sie mich vor zehn Jahren gefragt, wie es um das Thema Science-Fiction gestellt ist, hätte ich gesagt, das Genre sei durch, zumindest was die popkulturelle Relevanz anbetrifft. Die Komplexität der technologischen Fortschritte der Gegenwart hätte die Imaginationsräume der Science-Fiction überwunden. Was für potentiellen Erfahrungswerte oder Konzepte sollten durch fantastische Weltraum-Szenarien überhaupt noch kolportiert werden? So oder ähnlich hätte ich wohl kluggeschissen.
Spätestens im Jahr 2022 ist Science-Fiction indes wieder im Mainstream angekommen. Das liegt zum einen an der Renaissance der Weltraumfahrt. Kommerzielle Unterfangen wie Blue Origin von Jeff Bezos und SpaceX von Elon Musk lassen das Vakuum des Alls für Aristokraten des 21. Jahrhunderts zur neuen Kreuzfahrt werden. Aber auch Projekte der Nasa wie das kürzlich lancierte James-Webb-Weltraumteleskop oder das Asteroiden-Abwehrprojekt Dart lassen die Möglichkeiten der Weltraumforschung zur hoffnungsvollen Projektionsfläche werden.
Hinzu gesellen sich gelebte Dystopien auf unserer Erde wie eine nicht enden wollende Pandemie, unzählige Klimakatastrophen, sich aufbauschende Weltkriegsszenarien und Milliardäre, die sich in Neuseeland Bunkeranlagen bauen, um eine mögliche Apokalypse misantrop-egozentrisch mit sauberen Fußnägeln zu überstehen. Kurzum, eine globale Angst vor der Zukunft macht sich (wieder) breit.
Leinwände und Bildschirme bersten vor SciFi-Content
Das Mantra vom Anfang des Jahrhunderts, dass (kommerzielle) Technologien die Welt zu einer besseren machen würde, hat sich endgültig als Marketingblase entlarvt. Und leider werden konstruktive Antworten rarer als die Vorkommen fossiler Brennstoffe auf unserem Planeten.
Unsere Leinwände und Bildschirme bersten derweil vor SciFi-Content. Filme wie "Dune", "Finch", "Stowaway", "Space Sweepers", die Isaac-Asimov-Adaption "Foundation" oder die Alien-Invasion "Infiltration" auf Apple TV+, Netflix-Serien wie "The Silent Sea" … die Liste füllt sich ins Unguckbare. Derzeit arbeiten die Macher von "Game of Thrones" an der Verfilmung der Trisolaris-Trilogie des chinesischen Bestsellerautors Liu Cixin. Nicht alles ist ein passender oder qualitativ brillanter Kommentar zum Weltgeschehen, aber man spürt doch die innerte Wechselwirkung zwischen Nachfrage und Angebot.
Dass Science-Fiction nicht immer mit Aliens und futuristischen Laserkanonen zusammengebracht werden muss, zeigt unterdessen die Satire "Don’t Look Up" von Adam McKay. Hier ist die Welt gegenwärtig und sehr normal. Zugleich spielt aber die Science, die Wissenschaft, die integrale Rolle in dem Film. Beziehungsweise – das systematische Ignorieren und Bagatellisieren dieser. Schwurblerei, politisch-systemische Unfähigkeit, Clickbait-Medien, Einflussnahme mächtiger Tech-Bosse, haltlose Heilsversprechen, Pop-Stars, die in Charity eine Option der Weltrettung sehen.
Ein nicht auszulöschender Schatten
Der dicht vorgehaltene Spiegel lässt kaum Luft zum befreienden Lachen, beschlägt mit jeder Minute mehr, doch trifft er in vielerlei Hinsicht den Kern des menschlichen Scheiterns. Präsentiert sich die Welt wie im Sport oft naiv proklamiert: "Wer Angst hat, verliert." Oder auch: "Never change a running system."
Dass die Welt jedoch kein Sport und kein Wettkampf ist, das scheint für alle schwer zu verstehen. Verständlich, wenn heute jeder Beruf auf Performance taxiert wird, wenn medialer Erfolg und Misserfolg sich an Klickzahlen und Abrufen misst, wenn politische Wahlen wie Wettrennen inszeniert werden, wenn Kunst oft nur dann diskurswürdig ist, wenn es Rekordsummen erzielt (Stichwort NFT) und der Post-Neoliberalismus noch immer suggeriert: Jeder kann alles schaffen, wenn man sich nur anstrengt und dabei möglichst die Konkurrenz hinter sich lässt.
Die eigentliche Essenz umreißen hierbei SciFi-Filme wie "Don’t Look Up" oder Serien wie "Foundation" gut. Man kann wie im echten Leben vor dem Alltag türmen, fliehen und alles stante pede hinter sich lassen, die eigentlichen Probleme wird man aber nie los. Die kommen wie ein nicht auszulöschender Schatten an einem sonnigen Tage immer mit.